Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 18.1897

DOI Artikel:
Ilg, Albert: Mathias Steinle
DOI Artikel:
Kenner, Friedrich: Die Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol, [4]
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.5779#0247
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
214

Dr. Friedrich Kenner.

Nach Vasari1 malte Taddeo Gaddi in Santa Croce zu Florenz in einem Fresco, das ein Wunder
des heil. Franciscus darstellt, den Giotto, Dante und in ihrer Mitte den Cavalcanti oder, wie »Einige
sagen, sich selbst (altri dicono se stesso)«. Da dieses Gemälde zerstört wurde, ist eine Vergleichung
unseres Bildes mit jenem Originale nicht mehr möglich. Aber es ist nahezu sicher, dass unser angeblicher
Cavalcanti vielmehr Taddeo Gaddi genannt werden sollte. Denn das Bildniss, welches Vasari in der
schon oben erwähnten Conversation berühmter Florentiner2 von Cavalcanti gemalt hat, zeigt diesen im
Gespräche mit Dante begriffen, zu äusserst links vom Beschauer, dem er die rechte Seite zuwendet, mit

Lorbeerkranz, kurzem Haare, vollen Lippen
und Wangen.3 Auch das aus dem Besitze des

GVtüO CAVA!

C i NTl .



■1

Abbate Giuseppe Goretti Flamini entlehnte
Bildniss des Cavalcanti, das Allegrini mit-
theilt,4 stimmt mit dem Typus, wie ihn Va-
sari schuf, überein; wir erhalten den Ein-
druck, der Dargestellte sei eher ein den
Freuden des Lebens zugeneigter Mann als
das Gegentheil gewesen. Diess mag auch
der Wahrheit entsprechen, da übereinstim-
mend von Cavalcanti erzählt wird, dass er
der atheistischen und epicureischen Richtung
gefolgt sei.

Zu dieser Darstellung steht unser Bild
in allen Einzelheiten in geradem Gegensatze.
Die Magerkeit, der gesenkte Blick, die Furche
an der Wange, der geneigte Kopf in unserem
Bilde lassen auf eine innerliche, mehr asketi-
sche Natur schliessen ; der Lorbeerkranz fehlt;
der Vollbart, so spärlich er erscheint, ent-
spricht nicht der Zeit des Cavalcanti sondern
einer späteren, der zweiten Hälfte des XIV.
Jahrhunderts. Ein ganz ähnlicher, vollbär-
tiger Profilkopf mit denselben Zügen, in der-
selben Wendung, mit dem gleichen niederen
Hute und fast gleicher Bekleidung befindet
sich in Florenz und ist in der That als Taddeo Gaddi bezeichnet. Die älteren Abbildungen5 lassen
keinen Zweifel über die Identität der dort und der in unserem Bilde dargestellten Persönlichkeit auf-
kommen; sie sind nur darin verschieden, dass auf unserem Bilde das Schleiertuch anders geordnet und
der Kopf geneigt ist. Spätere Kupferstiche geben, wie diess nicht selten geschieht, dasselbe Bildniss
im Gegensinne.6 Das Original dieser Kupferstiche geht also auf dieselbe Vorlage zurück wie unser
Bild. Sie beruhen auf einem alten Gemälde, welches sicher das erwähnte Fresco des Taddeo Gaddi
selbst ist. Denn nur von diesem Fresco, genauer von der Gruppe der drei Figuren, die in demselben
dargestellt waren, war man im Zweifel, ob die mittlere Cavalcanti oder Gaddi sei. Es kann also auch
nur der Kopf der mittleren Figur in diesem Fresco bald als Cavalcanti, wie auf unserem Bilde, bald

Nr. 72.

1 Vasari-Milanesi I, p. 574 und N. I daselbst.

2 S. 190 zu Nr. 43.

3 Fontenay, La Galerie du Palais Royal, 1786, Tom. I, pl. 6.

4 Serie I, tav. 8: Dreiviertclprofil links, mit Lorbeerkranz auf dem sonst unbedeckten Kopfe.

5 Vgl. den Kupferstich in Vasari's Ausgabe vom Jahre 1568, Bd. I, II, p. 175, und in der Nuova Raccolta di ritratti
de'pittori etc. cavati dall'opera di G. Vasari, o. J., Taf. 16, Stiche von Bartalozzi und Ant. Capello.

'' So bei Bullart, Tom. 1, p. 322, in der Etruria pittrice, Tom. I (1791), p. XI, und in späteren Ausgaben von Vasari
nach dem Stiche von P. Batt. Cecchi.
 
Annotationen