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Dr. Friedrich Kenner.
Sohn ßorghese an der Spitze der Regierung zurück, in der sich dieser auch einige Zeit behauptete, während
sein anderer Sohn Alfonso schon im Jahre 150g von Papst Julius II. den Cardinalshut erhalten hatte. Er starb
im Jahre 1512 und wurde im Kloster L' Osservanza ausserhalb der Stadt beigesetzt.
Zierliche Goldschrift: PANDVLPHVS< PETRVCCIVS< SENEN=|SIVM< TIRANNVS<. Brustbild links,
im Dreiviertelprofil, unbärtig, die tiefliegenden Augen niedergeschlagen, Brauen und Haupthaar dunkel-
braun, die wenig gebogene Nase kräftig vor-, Mund und Kinn zurücktretend; auf dem Kopfe ein
schwarzes Baret, die Kleidung schwarz, am Halse ein schmaler weisser Streif. Grund dunkelbraun.
— Copist L. — Katalog Nr. 696.
Florenz ig3. — München, Fickler, fol. 2644
(verschollen). — Jovius II, p. 172, gleich.
Das seltene und trefflich gemalte Bild gibt den
überlegten und versteckten Charakter des Beherr-
schers von Siena, wie ihn die Historiker schildern,
sehr gut wieder. Die Vorlage ist selbstverständlich
in Siena zu suchen. Schon die Art der Kleidung,
die dort gebräuchlich war und in der er sich stets
selber trug, mit Ausnahme von festlichen Gelegen-
heiten, deutet diess an. Als Meister des Originales
ist wohl Sodoma zu bezeichnen, der viel in Siena
beschäftigt war und in dessen Nachlasse — das In-
ventar ist vom 15. Februar 1549 datirt — auch ein
Bild des Petrucci vorhanden war.1 Allerdings ist
diess nur eine Vermuthung, die sich darauf stützt,
dass Vasari kein anderes Porträt des Tyrannen von
Siena namhaft macht. Auch von Medaillen mit
seinem Bildnisse ist nur eine aus dem Besitze der
Familie Petrucci in Siena bekannt geworden; sie
gibt ihn im Profile (rechts) mit blossem Kopfe, kur-
zem Haare und unbärtig.2
118. Piccinino (Fortebracci Niccolö),
geboren i386 in Calisciana bei Perugia, angeblich der
Sohn eines Fleischers, von kleiner, hässlicher Gestalt
(daher sein Name), aber einer der berühmtesten Con-
domen des XV. Jahrhunderts, Neffe und Schüler des Braccio di Montone (Nr. 62), schnell in den Kriegs-
bewegungen, schlau, kühn und entschlossen, trat 1425 in den Dienst des Herzogs Filippo Maria Visconti von
Mailand, dessen Pläne und Ränke er zur Ausführung brachte, dessen Laune und Unbeständigkeit ihm aber
schwere Enttäuschungen bereiteten. In dem fast zwanzigjährigen Kampfe Viscontis gegen die Republiken Vene-
dig und Florenz um das Uebergewicht in der Romagna und in der Lombardei erwarb er sich auf beiden Kriegs-
schauplätzen ungeachtet des wechselnden Glückes grossen Ruhm durch die Siege am Serchio (1430) gegen die
Florentiner, am Po (1430) gegen die venezianische Flotte, im Veltlin gegen das Landheer von Venedig (1432),
bei Imola (1434) gegen die Liga und Papst Eugen IV. sowie durch die Niederlagen, die er Gianfrancesco von
Mantua bei Medolaga an der Adda und bei Calcinara (1437) beibrachte. Nach der listigen Einnahme der Romagna
(1438) schien sich sein Glück zu wenden; er erlitt von Gattamelata eine Niederlage bei Roado (1439), erkämpfte
zwar noch einen Sieg zu Salo und Maderno, wurde aber bei einer neuerlichen Diversion gegen Florenz bei An-
ghiari (29. Juni 1440) geschlagen und vermochte weder Verona zu behaupten noch Brescia ungeachtet langer
Belagerung einzunehmen; schon war das Entsatzheer unter Francesco Sforza von ihm eingeschlossen, als Visconti
einen Frieden mit diesem schloss (1439), um den Krieg sofort abermals in der Romagna, diesmal im Bunde mit
dem Papste, welcher Piccinino zum Generalcapitän der Kirche ernannte, und mit Neapel zu beginnen. Ungeachtet
seiner schnellen Eroberungen, der Blutthaten in Siena und ungeachtet der Hilfe von Perugia erlitt er bei Monteloro
eine Niederlage durch Francesco Sforza (1443), wurde nach Mailand zurückberufen und starb aus Kummer über
die Wendung der Dinge3 in der Nähe der Stadt am 16. October 1444; er wurde im Dome von Mailand bestattet.
1 Vasari-Milanesi VI, p. 38o. 2 Armand III, p. 172, I.
3 Sein von ihm in der Romagna zurückgelassener Sohn Francesco wurde 1444 von Sforza geschlagen und gefangen;
ein anderer Sohn Jacopo war auf der Flucht.
Dr. Friedrich Kenner.
Sohn ßorghese an der Spitze der Regierung zurück, in der sich dieser auch einige Zeit behauptete, während
sein anderer Sohn Alfonso schon im Jahre 150g von Papst Julius II. den Cardinalshut erhalten hatte. Er starb
im Jahre 1512 und wurde im Kloster L' Osservanza ausserhalb der Stadt beigesetzt.
Zierliche Goldschrift: PANDVLPHVS< PETRVCCIVS< SENEN=|SIVM< TIRANNVS<. Brustbild links,
im Dreiviertelprofil, unbärtig, die tiefliegenden Augen niedergeschlagen, Brauen und Haupthaar dunkel-
braun, die wenig gebogene Nase kräftig vor-, Mund und Kinn zurücktretend; auf dem Kopfe ein
schwarzes Baret, die Kleidung schwarz, am Halse ein schmaler weisser Streif. Grund dunkelbraun.
— Copist L. — Katalog Nr. 696.
Florenz ig3. — München, Fickler, fol. 2644
(verschollen). — Jovius II, p. 172, gleich.
Das seltene und trefflich gemalte Bild gibt den
überlegten und versteckten Charakter des Beherr-
schers von Siena, wie ihn die Historiker schildern,
sehr gut wieder. Die Vorlage ist selbstverständlich
in Siena zu suchen. Schon die Art der Kleidung,
die dort gebräuchlich war und in der er sich stets
selber trug, mit Ausnahme von festlichen Gelegen-
heiten, deutet diess an. Als Meister des Originales
ist wohl Sodoma zu bezeichnen, der viel in Siena
beschäftigt war und in dessen Nachlasse — das In-
ventar ist vom 15. Februar 1549 datirt — auch ein
Bild des Petrucci vorhanden war.1 Allerdings ist
diess nur eine Vermuthung, die sich darauf stützt,
dass Vasari kein anderes Porträt des Tyrannen von
Siena namhaft macht. Auch von Medaillen mit
seinem Bildnisse ist nur eine aus dem Besitze der
Familie Petrucci in Siena bekannt geworden; sie
gibt ihn im Profile (rechts) mit blossem Kopfe, kur-
zem Haare und unbärtig.2
118. Piccinino (Fortebracci Niccolö),
geboren i386 in Calisciana bei Perugia, angeblich der
Sohn eines Fleischers, von kleiner, hässlicher Gestalt
(daher sein Name), aber einer der berühmtesten Con-
domen des XV. Jahrhunderts, Neffe und Schüler des Braccio di Montone (Nr. 62), schnell in den Kriegs-
bewegungen, schlau, kühn und entschlossen, trat 1425 in den Dienst des Herzogs Filippo Maria Visconti von
Mailand, dessen Pläne und Ränke er zur Ausführung brachte, dessen Laune und Unbeständigkeit ihm aber
schwere Enttäuschungen bereiteten. In dem fast zwanzigjährigen Kampfe Viscontis gegen die Republiken Vene-
dig und Florenz um das Uebergewicht in der Romagna und in der Lombardei erwarb er sich auf beiden Kriegs-
schauplätzen ungeachtet des wechselnden Glückes grossen Ruhm durch die Siege am Serchio (1430) gegen die
Florentiner, am Po (1430) gegen die venezianische Flotte, im Veltlin gegen das Landheer von Venedig (1432),
bei Imola (1434) gegen die Liga und Papst Eugen IV. sowie durch die Niederlagen, die er Gianfrancesco von
Mantua bei Medolaga an der Adda und bei Calcinara (1437) beibrachte. Nach der listigen Einnahme der Romagna
(1438) schien sich sein Glück zu wenden; er erlitt von Gattamelata eine Niederlage bei Roado (1439), erkämpfte
zwar noch einen Sieg zu Salo und Maderno, wurde aber bei einer neuerlichen Diversion gegen Florenz bei An-
ghiari (29. Juni 1440) geschlagen und vermochte weder Verona zu behaupten noch Brescia ungeachtet langer
Belagerung einzunehmen; schon war das Entsatzheer unter Francesco Sforza von ihm eingeschlossen, als Visconti
einen Frieden mit diesem schloss (1439), um den Krieg sofort abermals in der Romagna, diesmal im Bunde mit
dem Papste, welcher Piccinino zum Generalcapitän der Kirche ernannte, und mit Neapel zu beginnen. Ungeachtet
seiner schnellen Eroberungen, der Blutthaten in Siena und ungeachtet der Hilfe von Perugia erlitt er bei Monteloro
eine Niederlage durch Francesco Sforza (1443), wurde nach Mailand zurückberufen und starb aus Kummer über
die Wendung der Dinge3 in der Nähe der Stadt am 16. October 1444; er wurde im Dome von Mailand bestattet.
1 Vasari-Milanesi VI, p. 38o. 2 Armand III, p. 172, I.
3 Sein von ihm in der Romagna zurückgelassener Sohn Francesco wurde 1444 von Sforza geschlagen und gefangen;
ein anderer Sohn Jacopo war auf der Flucht.