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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 18.1897

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Ilg, Albert: Mathias Steinle
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Kenner, Friedrich: Die Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5779#0290
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256

Dr. Friedrich Kenner.

Das Bildniss ist dem Gemälde des Bronzino im Besitze der Strozzi in Florenz1 im Alter, in der
Wendung und Rüstung, in der Beleuchtung der rechten Seite, in der Länge und Ueppigkeit des Bartes
völlig ähnlich, scheint also auf diese Vorlage zurückzugehen. Die kleinen Abweichungen, das Fehlen
der Collane des Michaelsordens, welche im Originale vorhanden ist, und die Beigabe der Schärpe, die
im Originale fehlt, sind ohne Belang. Jenen Orden erhielt Piero im Jahre 1543, die Marschallswürde,
deren Abzeichen die weisse Schärpe ist, die wir an den französischen Bildern wieder treffen werden,

im Jahre 1554. Das Original ist also zwischen
1543 und dem letztgenannten Jahre, unsere
Copie nicht vor eben diesem gemalt. Dieser
Umstand deutet darauf hin, dass eine Wieder-
holung des Originales existirt haben muss,
welche statt der Collane die Schärpe eines
Marschalls von Frankreich anbrachte, den
Kopf selbst aber so beliess, wie ihn das ältere
Original gibt. Daraus erklärt sich auch, dass
die schöne Medaille, in deren französischer
Aufschrift der Ma rschallstitel schon aufgenom-
men ist, ihn älter als das Gemälde von Bron-
zino und als unser Bild, namentlich mit höherer
Stirne und etwas gebog-ener Nase, darstellt.2
Ein zweites Bildniss des Pietro sowie
ein Bildniss seines Sohnes Filippo werden
wir unter den französischen Porträten treffen;
sie sind dort eingereiht, da die gedachten Por-
träte von demselben französischen Meister ge-
malt sind wie die übrige Frankreich betreffende
Reihe unserer Sammlung.

135. Alexander Tartagnus oder de
Imola,

Nr. 135. Sohn des Antonio Tartagni, geboren 1423 oder

1424, Schüler des Paolo de Castro (Nr. 6g), pro-
movirte 1445 zu Bologna und lehrte vom Jahre 1450
bis zu seinem Tode (1477) an verschiedenen Rechtsschulen in Italien.3 Ausser durch seine Schriften ist er bekannt
durch die heftige Gegnerschaft gegen das Aufblühen der Prosa in italienischer Sprache und deren Begründer
Boccaccio, jener Sirene, vor der er seine Schüler nicht genug warnen konnte. Er starb im Jahre 1477; sein Grab-
mal 4 in der Dominikanerkirche zu Bologna ist von Francesco di Simone di Nanni Ferrucci gearbeitet.

Zierliche grosse Goldschrift: Al.EX< lMOL< I< O. Brustbild rechts, im Dreiviertelprofil, unbärtig,
die schräge zu Boden blickenden Augen, die flachen Brauen und das über die Stirne herabreichende,
im Nacken eingerollte Haupthaar dunkelbraun, die Nase lang, in der Mitte gebogen und steil abfal-
lend, oben breites, unten spitzes Gesicht mit eingefallenen Wangen; auf dem Kopfe ein breiter rother
Hut mit darüber gelegtem Nackentuche aus gleichem Stoffe, das rechte schmale Ende desselben über

1 Farbig bei Litta, Strozzi.

2 Einseitiger Silberguss in der Sammlung des Allerhöchsten Kaiserhauses. — Vgl. Litta, a. a. O., Medaillen, Nr. 9.
Die übrigen Medaillen, welche der Marschallswürdc nicht erwähnen, wohl aber die Collane des Michaelsordens zeigen,
geben das Gesicht jünger, mit üppigem Haupthaar und Vollbart. Ebenda und Armand II, p. 200, Nr. 26 f.

3 Pavia 1450 — 1451. — Bologna 1451 — 1457. — Ferrara 1457—1461. — Bologna 1461 —1467. — Padua 1467 bis
1470. — Bologna 1470—1477.

4 Abgebildet bei Heiss, Sperandio. — Archivio storico V (1892), p. J72. — Eine ältere Abbildung bei Rybisch,
Monumema clarorum virorum, Ausgabe von Feyerabend 1589, tav. 64. — Der Kopf mit dem völlig abgemagerten und
eingebrochenen Gesichte scheint von der Leiche selbst abgenommen zu sein.
 
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