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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 20.1899

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I. Theil: Abhandlungen
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Graeven, Hans: Ein Reliquienkästchen aus Pirano
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https://doi.org/10.11588/diglit.5730#0011
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6 Hans Graeven.

grosse ihm angetragene Silberschüssel, die im Innern den Sieg des Herakles über Cacus zeigte und
aussen kleinere Darstellungen der übrigen Heraklesthaten trug. In Derbyshire ward 1729 eine Schüssel
ausgegraben,1 die mit Jagdscenen und Bildern ländlichen Sports verziert war; laut ihrer Inschrift wurde
sie von Bischof Exsuperius (3go—405) der Kirche in Bayeux geschenkt.2 Vermuthlich ist sie nach der
Plünderung von Bayeux (1105) als Beutestück nach England gewandert,3 hat also der Kirche sieben
Jahrhunderte lang gedient. Desiderius, der im Anfang des VII. Jahrhunderts Abt von Auxerre war,
stiftete seiner Kathedrale über 100 silberne Gefässe und vermachte deren zehn der Abteikirche von
St. Germain, in der er bestattet zu werden wünschte.4 Zwei der grossen Missorien, das eine mit Bildern
aus der Aeneassage, das andere mit einer Europadarstellung,5 trugen griechische Inschriften und auf
dem ersten war überdies der Name eines früheren Besitzers zu lesen »Thorsomodi«. Er ward identi-
ficirt mit Thorismund,6 dem 453 ermordeten Könige der Westgothen, der offenbar seinen Namen auf
ein älteres griechisches Werk hatte setzen lassen. Von der Mehrzahl der übrigen Gefässe, welche die
Kirchen der Freigebigkeit des Desiderius zu danken hatten, lassen die Beschreibungen vermuthen, dass
sie ebenfalls Erzeugnisse der griechisch-römischen Kunst gewesen sind.7

Waren in einem verhältnissmässig unbedeutenden Orte des Abendlandes so viele antike Silber-
sachen vereinigt, wie viel grösser muss ihre Zahl in Constantinopel gewesen sein, wo ungeheure
Schätze an Edelmetall angesammelt waren. Als im vierten Kreuzzuge die Stadt erobert war und die
Plünderer zur officiellen Theilung der abgelieferten Beute schritten, — Vieles war vorher heimlich
entwendet worden — erhielten die Venezianer, die nach dem Vertrage auf 3/8 des Ganzen Anspruch
hatten, nicht weniger als 10.000 Pfund Gold und 50.000 Pfund Silber.8 Welcher Luxus früher am byzan-
tinischen Hofe mit Prunkgeräthen getrieben werden konnte, ersehen wir aus dem Gesandtschaftsbericht
Liutbrands9 und noch deutlicher aus des Constantinos Porphyrogenetos Schilderung einer Audienz,10
die Ende Mai 946 stattfand, als sarazenische Gesandte erschienen waren, um über den Austausch von Ge-
fangenen und über Friedensbedingungen zu verhandeln. Sie sollten geblendet werden von dem Reich-
thum und die Empfangsräume des Mannaura benannten Palastes wurden deshalb verschwenderisch aus-
gestattet mit Gold- und Silbergeräth und kostbaren Emails. Allein in dem Ankleideraum des Chryso-
triklinion waren 112 Silberschüsseln in den Schwibbogen der Kuppel aufgehängt, während Missorien und

1 S. W. Stukeley, An account of a large silver plate of antique basso-relievo workmanship found in Derbyshire,
read before the Antiquarian Society of London 8, IV, 1736.

2 Die Inschrift besagt: EXSVPERIVS EPISCOPVS ECCLESIAE BAGIENSI DEDIT.

3 Vgl. Toustain, Essai historique sur la prise et l'incendie de la ville de Bayeux, Caen 1861, p. 53; Longperier,
Gazette archeologique VIII (i883), p. 78.

4 S. Gesta episcoporum Autisiodorensiura bei Labbeus, Nova Bibliotheca mss. librorum, Parisiis 1657, T. I, p. 422 ff.;
Duru, Bibliotheque historique de l'Yonne I, Auxerre 1850. — Die Gesta sind verfasst von Heirich, Rainogala und Alagus
(IX. Jahrh.); vgl. Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen P, S. 3o2.

5 Die Deutung der ersten Darstellung ist in dem Verzeichnis selbst gegeben, die der zweiten aus der Beschreibung
zu entnehmen: Missorium argenteum, qui Thorsomodi nomen scriptum habet. Pensat libras XXXVII, habet in se historiam
Aeneae cum libris (sie!) Graecis; Missorium anacteum deauratum, pensantem libras I (Lr), habentem in se Septem personas
hominum cum tauro et litteris Graecis.

6 S. Lebeuf, Memoires concernant l'histoire ecclesiastique d'Auxerre 1743, I, p. 129 f.; E. Piot, Gazette archeologique
XI (1886), p. i83ff.

' Nur zwei der Gefässe haben ausgesprochen christlichen Charakter (Missorium, pensantem libras VIII, habet in medio
crucem cum duobus hominibus; salariolam parvam cruciolam habentem, pensat uncias IX). Besonders zahlreich vertreten
sind unter den figürlichen Darstellungen einzelne Thiere, Kämpfe zwischen Thieren oder zwischen Menschen und Thieren.
Die Angaben über die menschlichen Figuren der übrigen Gefässe sind meist zu ungenau, um die Bedeutung der Personen
darnach zu erkennen; nur eine Angabe lässt mit Sicherheit auf eine mythologische Scene schliessen: concham anacteam,
pensantem libras IX, habet in medio hominem et mulierem et ad pedes eorum crocodillum. Der Mann und die Frau waren
gewiss Perseus und Andromeda, zu deren Füssen das Meerungeheuer lag. Eine mythologische Figur hat der Verfertiger
der Liste selbst zu benennen gewusst: Agmanilia, pens. libras III et unc. IX, habet in medio Neptunum cum tridente.

8 Vgl. Rhamnusius, De bello Constant., Venetiis 1609, p. 129; Riant, Memoires de la Societe nationale des antiquaires
de France XXXVI (1877), P- 52.

9 Antapodoseos Hb. VI, §. 8, Mon. Germ, hist., Scriptores III, p. 338; vgl. Labarte, Histoire des arts industriels I2,
p. 504 ff.

10 De cerimoniis Aulae Byzantinae II, 15, ed. Bonn. I, p. 571 ff.
 
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