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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 20.1899

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I. Theil: Abhandlungen
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Giehlow, Karl: Beiträge zur Entstehungsgeschichte des Gebetbuches Kaiser Maximilian I.
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https://doi.org/10.11588/diglit.5730#0038
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Beiträge zur Entstehungsgeschichte des Gebetbuches Kaisers Maximilian I. 3 I

es zu bedauern, dass damals die Forschung dem Dichter noch nicht die richtige historische Stellung der
Zeichnungen liefern konnte. Vielfach lassen sich noch in der jetzigen Gestalt des Lebenswerkes Goethes
Spuren und Nachwirkungen der Schöpfungen des Kaisers auf wissenschaftlichem und künstlerischem
Gebiete nachweisen;1 welchen schönen Wiederklang hätte darnach das Gebetbuch, voll erkannt als
die ureigene Aeusserung der hochgemuthen Seele Maximilians, hervorrufen müssen!

Typographische Forschungen überwucherten in der Folge auch weiter die historischen.2 Der
Theuerdank, diese romantische Schilderung der Brautwerbung des Kaisers um seine stets unvergessen
gebliebene Maria von Burgund, beherrschte mit der eigenthümlichen Schönheit seiner neuen Lettern
das Interesse der Forscher. Erst der Bamberger Dürerkenner und Privatgelehrte Heller3 veröffentlichte
Beobachtungen über die Uebereinstimmung der Buchstabenformen des Münchener Exemplars mit
einem damals beim Bibliographen v. Josch, jetzt im British Museum befindlichen Drucke vom 3o. De-
cember 1514 aus der Officin Johann Schoenspergers des Aelteren in Augsburg,4 um daraus geschicht-
liche Folgerungen abzuleiten. Eine eingehende Textvergleichung ergab, dass die Münchener Cimelie,5
wenn auch von Dürer und Cranach geschmückt, nur einen verhältnismässig kleinen Bruchtheil dieses
schmucklosen Druckes darstellt; eine scharfsinnige Prüfung des Inhaltes und der Ueberschriften seiner
Gebete führte zu dem kühnen und richtigen Schluss, in dem Kaiser nicht nur den Besteller sondern
auch den Verfasser des Gebetbuches zu erblicken. Das waren Gedanken, deren Beweise zu erweitern,
beziehungsweise zu vertiefen der Forschung von da ab nur übrig blieb.6

Hinsichtlich des Zweckes dieser Gebetbuchdrucke irrte jedoch Heller. Sie galten ihm als Probe
für den 1517 gedruckten Theuerdank. »Als christliches Buch hätte das Gebetbuch einen besonders
guten Ausfall« für dessen neue Schriftproben versprochen.7 Neben der Ueberschätzung der Stellung
des Theuerdanks im Zusammenhang der literarischen Arbeiten Maximilians führte zu dieser Annahme
offenbar die irrthümliche Auslegung eines Vermerks der Nachrichten des Nürnberger Schreib- und
Rechenmeisters Johann Neudoerffer, welche, 1547 niedergeschrieben, erst Heller verdienstvoller Weise
abzudrucken begann. Diese erwähnten, wie Hieronymus Andrea, der Formschneider der »Ehren-
pforte« Kaisers Maximilian I., Neudoerffers Entwürfe für Fracturlettern »in mancherlei Gross«, ver-
ändert hat, und stellen diese Schrift der des Theuerdanks folgendermassen gegenüber: »iviewol kaiserl.
majestät vorher durch den Schoensperger . . . auch ein fraktur machen und den Teuerdank damit
drucken lassen, welche prob herr Vincen^ Rockner, kais. maj. hofsecretari machet, das ich auch ge-
sehen, und der kaiser mit eigner hand darunter die rvort: Te deum laudamus schrieb, acht ich . . ,«8
Neudoerffers Schweigen über den Schoensperger'schen Gebetbuchdruck und eigener Kenntnismangel über

1 Wickhoff, a. a. O., S. 114, 119.

2 J. B. Bernhart, Bemerkungen über die Auflage des »Theuerdank« von 1517 etc., in Aretins Beiträgen zur Geschichte
und Literatur, München 1805, und M. Bernhart, Meine Ansicht von der Entstehung der Buchdruckerkunst, München 1807,
lieferten das Material zu der anonymen Vorrede für die 1818 bei Zeller als Nachtrag zu den Strixner'schen Lithographien
erschienenen acht Cranachzeichnungen des Gebetbuches. Um diese Zeit gab Ackermann in London 1817 unter dem Titel:
»Albert Dürer designs of the Prayer Book« und J. Stuntz in München 1820 in der »Oratio dominica polyglotta singularum
linguarum characteribus expressa et delineationibus Alberti Dureri cincta« minderwerthige Nachdrucke der Randzeichnungen
Dürers ohne den bezüglichen Text der Gebete heraus.

3 Josef Heller, Beiträge zur Kunst- und Literaturgeschichte, Nürnberg 1822, S. LXXXVII; Das Leben und die Werke
Albrecht Dürers, Leipzig 1831, II. Bd., S. 50; vgl. seinen »Versuch über das Leben und die Werke Lucas Cranachs«, Bam-
berg 1821, S. 433ff.

4 Bereits 1801 bei Panzer, Annales typographici, vol. IX, p. 38o, Nr. 69, beschrieben.

5 Cim. V, a. 2.

6 Hier sei eines anonymen Manuscriptes Erwähnung gethan, auf welches sein Besitzer Freiherr von Mitis in Wien
liebenswürdigst aufmerksam machte. »Kaiser Maximilians Gebetbuch« betitelt und nach seinem Inhalt Ende des zweiten
Jahrzehntes dieses Jahrhunderts geschrieben, enthält es ausser einer gründlichen Beschreibung im Wesentlichen bereits die
Schlussfolgerungen Hellers. Nach den Anfangsworten hat der Verfasser seinerzeit Panzer die Grundlagen zu der Be-
sprechung des Joschischen Exemplares in den Annalen geliefert. Unter dem Anonymus ist wohl eine der Joschischen
Bibliothek nahestehende Persönlichkeit, wenn nicht gar v. Josch selbst, zu vermuthen.

' Vgl. Heller, Beiträge, a. a. O., S. CXIII.

8 Vgl. die Neuausgabe in Eitelbergers Quellenschriften zur Kunstgeschichte von H. W. K. Lochner, Wien 1875,
S. 155 ff.
 
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