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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 20.1899

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I. Theil: Abhandlungen
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Giehlow, Karl: Beiträge zur Entstehungsgeschichte des Gebetbuches Kaiser Maximilian I.
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https://doi.org/10.11588/diglit.5730#0064
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Beiträge zur Entstehungsgeschichte des Gebetbuches Kaisers Maximilian I.

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Kritik und den Rath seiner Tochter Margarethe, der klugen Statthalterin der Niederlande, einholen,
mit welcher er damals zusammen war.

Die Nothwendigkeit einer Weiterarbeit an den Prachtexemplaren gestattet die Vermuthung, dass
der Kaiser auch eine umfangreichere Auflage geplant hat als die aus irgend einem Grunde gerade auf
zehn bemessene Anzahl der eben erwähnten Bestellung. Hierfür spricht auch der Zweck der ganzen
Publication. Die Zahl der St. Georgsordensmitglieder, für welche ihrem Range oder persönlicher Be-
ziehung nach ein solcher Prachtdruck berechnet war, mochte wohl eine erheblich grössere sein. Hierbei
fällt eines auf! Ausser diesen hervorragenden Personen zählte der St. Georgsorden im engeren Sinne,
vollends mit seiner Verbrüderung, viele Angehörige, für welche solcher Luxusdruck nicht passte. Sollten
diese Georgsbrüder, von deren Muth doch wahrlich der künftige Sieg auch abhing, leer ausgehen? Dachte
der Kaiser nicht auf die Begeisterung und Kreuzesstimmung dieser Mitkämpfer auch zu wirken?

In der That hat der Kaiser diese einfachere Brüderclasse berücksichtigt. Denn das kleine, in un-
scheinbarem Druck ausgeführte Gebetbuch (vgl. Anhang II B) mit seinem bis auf Einzelheiten genau mit
den Prachtexemplaren übereinstimmenden Text ist weder ein Nachdruck noch ein Probedruck. Chme-
larz bereits machte erhebliche Gründe gegen seine Bestimmung als Nachdruck geltend.1 Nach den bis-
herigen Ausführungen vollends, was konnte es da für einen Zweck haben, ein unfertiges Buch nach-
zudrucken? Auch seine Eigenschaft als Probedruck ist wenig klar. Man könnte vielleicht meinen, es
sollte eine Vorlage für den Drucker sein, um das richtige Einhalten des Satzes auf den verschiedenen
Seiten des Prachtexemplares zu erleichtern. In dieser Rücksicht wurde die Schedel'sche Weltchronik
besonders geschrieben;2 bis soweit gedieh Waidensteins Heilthumsbuch. Aber dieses Gebetbuch stimmt
in der Vertheilung des Textes auf die Seiten nicht mit den Prachtexemplaren überein. Und warum für
solchen Zweck das sicher schon entsprechend eingerichtete Manuscript des »New pettpuechs« noch
besonders drucken? Dagegen erklärt dieser bescheidene Druck, in selbstständiger Bedeutung aufgefasst,
den auffälligen Mangel eines für die breitere Masse der St. Georgsbrüder bestimmten Andachtsbuches. Es
stellt selbst ein solches dar. Die Pergamentdrucke in Grossfolio mit den Prachtlettern sind die Luxus-,
die Papierdrucke in Quart mit gewöhnlicher Schrift die Massenausgabe des Gebetbuches. Von vorne-
herein hat der Kaiser die Gebetbuchpublication in dieser doppelten Form geplant. Nicht der Gegensatz
seines von Jugend an benutzten gewöhnlichen Gebetbuches zu den späteren Prachtdrucken sondern
diese Doppelausgabe schwebte dem Kaiser zur Zeit seiner Kaiserkrönung vor, als er in das Gedenk-
buch die Notiz eintragen liess:

»gebeetbuechl, ain ordinarij, das ander extraordinarii.«

II.

Der Zweck der Rand\eichnungen.

Kaiser

Maximilian

ie Stellung des Gebetbuches an der Spitze eines Publicationscyklus von religiös-poli-
tischer Tragweite gibt auch seinem künstlerischen Schmuck eine andere Beleuchtung.
Die erhaltenen schmucklosen Gebetbuchexemplare bezwecken nicht mehr, wie sicher Illustration.
angenommen wurde, die Herstellung eines einzigen, für die künstlerische Ausschmü-
ckung bestimmten Druckes sondern gesellen sich ihm mit gleichem Zwecke zu. Da-
durch fällt eine Hauptstütze für die Annahme der Bestimmung der Randzeichnungen
zur ausschliesslichen Erbauung des Kaisers. Als Glieder der Entwicklung eines einzigen Druckes hätten
die bildlosen Exemplare allerdings einer Ausschmückung nicht bedurft; als Theile einer aufweite Kreise
berechneten Ausgabe haben sie jetzt, sollte man meinen, darauf das gleiche Recht. Oder wäre auch hier

1 Vgl. Jahrbuch, Bd. III, S. 92.

2 Hans Stegmann, Die Handzeichnungen des Manuscriptes der Schedel'schen Weltchronik, in Mittheilungen des ger-
manischen Museums, Jahrg. 189;, S. 116.

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