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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 20.1899

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I. Theil: Abhandlungen
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Giehlow, Karl: Beiträge zur Entstehungsgeschichte des Gebetbuches Kaiser Maximilian I.
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https://doi.org/10.11588/diglit.5730#0072
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Beiträge zur Entstehungsgeschichte des Gebetbuches Kaisers Maximilian I.

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psalmen noch eine weitere Auswahl getroffen werden sollte. Aber ebensogut könnte auch hier, wie oben
erörtert, ein Gebet an den heil. Leopold, Florian oder noch ein drittes an den heil. Georg geplant ge-
wesen sein. Das »gepeetpuechl ordinarii«. hat drei verschiedene
Gebete dem Türkenstreiter gewidmet. Es enthält auch noch eine
»Missa sancte Marie introitus« (vgl. Anhang II B, Nr. 28), deren
Schlusshymnus: »Christe, qui lux es«, sich als Ueberbleibsel in der
Prachtausgabe wiederfindet. Die Aufnahme dieser Missa in die frei-
gehaltenen Blätter erscheint indess nicht wahrscheinlich, weil sie
sich dort von dem Marienofficium weit getrennt befinden würde.
Dagegen ist den Gebeten an die Heiligen ein bestimmter Platz im
Gebetbuch vom Kaiser nicht gewahrt worden.

Wie dem nun sein mag, die Gestaltung des Inhaltes befand
sich damals noch im vollen Fluss. Unter diesem Gesichtspunkte
ist auch die verschiedene Reihenfolge der Gebete in den einzelnen
Exemplaren zu betrachten. Das Münchner Fragment enthält ebenso
wie das Londoner Exemplar das Gebet »Post elevationem« vor dem
mit der Ueberschrift »Quicunque harte orationem« etc. versehenen
Gebete » 0 dulcissime«, während das erstere im Wiener Druck und
im »gepeetpuechl ordinarii«. dem anderen nachfolgt. Mag nun auch
das letztere Gebetbuch, nach den fehlenden Ueberschriften und dem
Vorhandensein der »Missa sancte Marie introitas« zu schliessen,
ein früheres Entwicklungsstadium des Textes gegenüber den Pracht-
exemplaren bedeuten, so bedingt seine Uebereinstimmung in der
Folge der Gebete mit dem Wiener Drucke für diesen noch nicht die
bisher angenommene Eigenschaft eines Textes erster Redaction.
Der weitere Verlauf der Druckgeschichte der Prachtexemplare spricht
dagegen. Gerade die Drucke mit der Wiener Textfolge weisen
Fortschritte auf. Es ergibt sich dieses aus einer vergleichenden
Prüfung der bisher genauer bekannten Exemplare mit dem Brooke-
schen Gebetbuch.1

Dieser mit dem Wiener Exemplare übereinstimmende Druck
weicht nicht nur durch die soeben beobachtete Umstellung der
beiden Gebete sondern auch in der äusseren Gestalt des Lettern-
satzes von dem Londoner ab. Die ganze I. Lage, der erste Bogen
(Bl. 5 und 10) sowie der dritte (Bl. 7 bis 8) der II. Lage, die ganze
III. Lage (Bl. 11 bis 16) und die äussere Seite des dritten Bogens
(Bl. 23r und Bl. 24') der V. Lage enthalten fast Wort für Wort
verschiedene Buchstabentypen und Abkürzungen. Diese Satzver-
schiedenheit ist nicht allein durch den erwähnten Platzwechsel
der Gebete hervorgerufen; denn die dadurch bedingte Verände-
rung des Satzes erstreckt sich nur im Voraus auf die zweite Hälfte
des ersten Bogens der II. Lage (Bl. 10) und hört mit der III. Lage

(Bl. 11 bis 16) auf. Auch bei der übereinstimmenden Vertheilung des Textes auf die einzelnen
Reihen findet sich in den anderen eben bezeichneten Druckseiten diese Letternverschiedenheit,

Fig. 6 a. Theil einer Randleiste
Hans Dürers (Bl. 142", Taf. XLVI).

1 Es machte sich hier sehr fühlbar, dass von den nicht illustrirten Druckseiten des Münchener und Besanconer Frag-
mentes eine Facsimilevervielfältigung nicht vorhanden ist. Bei der Bedeutung dieser Drucke für die Geschichte des Buch-
druckes verdienten sie es wohl. Stichproben, seitenweise von bestimmten Buchstabenformen genommen, mussten den Mangel
eines Originalvergleiches ersetzen. So wurde auch das Wiener Exemplar mit dem Londoner und Brooke'schen Original
verglichen. Hierbei unterstützten in dankenswertester Weise Mr. Poete in Besancon und Dr. Boll in München.

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