Beiträge zur Entstehungsgeschichte des Gebetbuches Kaisers Maximilian I.
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Fig. 11. Charitas, Niello (D. 3o2)
im Kupferstichcabinet zu Berlin.
fallender ist ihr Verlust beim Gebetbuch, in dessen Randzeichnungen Dürer durch den Reichsadler, das
Maximilianische Symbol des Granatapfels und die dem Antlitz des heil. Maximilian gegebenen Züge
des Kaisers genug gethan hatte, um eine vorhandene Tradition weiter fortleben zu lassen. Statt dessen
sollte erst Heller die Bestimmung des Buches für Maximilian wieder in die Literatur einführen.
Ein Besitzerwerb Karl V. erscheint aus dieser Ueberlegung
heraus schon weniger wahrscheinlich. Zwar wurde auf seine An-
ordnung bald nach dem Tode des Grossvaters mit einer Inventari-
sirung des Nachlasses begonnen.1 Die Regesten dieses Jahrbuches
berichten ausführlich, wie in ihrem Verfolge kaiserliche Bücher-
truhen und Exemplare in
Augsburg und an den ver-
schiedensten Orten sich auf-
fanden. Aber vergeblich
wurde im Verlaufe dieser
Arbeit nach einer verwerth-
baren Nachricht über ein
Auftauchen der Gebet-
bücher gesucht. Sollte es
der Fall gewesen sein, so
könnte es ihnen vielleicht ähnlich wie den wieder aufgetrie-
benen Exemplaren der Ehrenpforte ergangen sein. Betreffs
ihrer Verwendung erliess am 14. April 1522 Karl V. von Brüssel
aus, wo er sich bei seiner Tante Margarethe befand, die wenig
im Sinne seines Ahnherrn gehaltene Anweisung an
Hans Baumgärtner, durch den Verkauf der Abdrucke
600 Gulden rheinisch zu lösen.2 Die einfachen
Drucke des Gebetbuches als unfertige Werke werden
noch weniger Bedeutung für ihn gehabt haben. Ob
eines davon von Dürer illu-
strirt war, gab bei der da-
mals am dortigen Hofe herr-
schenden Kunstrichtung
schwerlich einen beson-
deren Wunsch, es zu be-
sitzen. Man vergegenwär-
tige sich die kühle Aufnahme Dürers bei Margarethe und seine klagenden Worte im Tagebuch über
die »grosse Mühe und Arbeit«, die »Confirmacia« seines von Maximilian ihm ausgesetzten Leibgedings
vom Enkel erneuert zu erhalten;3 aber man denke auch an Dürers Brief an Kress, worin er für seine
Arbeit am Gebetbuch nicht einen besonderen Namen hat. Alles dieses spricht nicht für eine Einfor-
derung des Gebetbuches seitens Karl V.
Wahrscheinlicher wäre es, Karls Bruder Erzherzog Ferdinand als ersten Besitzer des Gebetbuches
zu vermuthen.4 Dieser beauftragte am 1. März 1526 den niederösterreichischen Kanzler Marx Treitz-
Fig. na. Theil einer Randleiste des Anonymus MA (Bl. 86v, Taf. XXVII).
1 Vgl. die Regesten aus dem k. k. Statthaltereiarchiv in Innsbruck im Jahrbuch, Bd. II, Nr. 1351, ferner 1352, i366.
2 Vgl. Jahrbuch, Bd. III, Regest 2970.
3 Lange und Fuhse, Dürers schriftlicher Nachlass, S. 137.
4 Jahrbuch, Bd. II, Regest 1511. In dem Inventar der in Innsbruck aufbewahrten und dem Erzherzog Ferdinand zu-
gesendeten Kleinodien vom 12. Februar 1524 heisst es: »zwai pergamenene, samatin petpuechlin mit silbrinen vergulten
spangen; eine slechts petpuechl mit ainer silbrinen clausur.« Mangels einer Nachricht, ob geschrieben oder gedruckt, fehlt
überhaupt jeder Anhalt zu einer Identificirung.
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Fig. 11. Charitas, Niello (D. 3o2)
im Kupferstichcabinet zu Berlin.
fallender ist ihr Verlust beim Gebetbuch, in dessen Randzeichnungen Dürer durch den Reichsadler, das
Maximilianische Symbol des Granatapfels und die dem Antlitz des heil. Maximilian gegebenen Züge
des Kaisers genug gethan hatte, um eine vorhandene Tradition weiter fortleben zu lassen. Statt dessen
sollte erst Heller die Bestimmung des Buches für Maximilian wieder in die Literatur einführen.
Ein Besitzerwerb Karl V. erscheint aus dieser Ueberlegung
heraus schon weniger wahrscheinlich. Zwar wurde auf seine An-
ordnung bald nach dem Tode des Grossvaters mit einer Inventari-
sirung des Nachlasses begonnen.1 Die Regesten dieses Jahrbuches
berichten ausführlich, wie in ihrem Verfolge kaiserliche Bücher-
truhen und Exemplare in
Augsburg und an den ver-
schiedensten Orten sich auf-
fanden. Aber vergeblich
wurde im Verlaufe dieser
Arbeit nach einer verwerth-
baren Nachricht über ein
Auftauchen der Gebet-
bücher gesucht. Sollte es
der Fall gewesen sein, so
könnte es ihnen vielleicht ähnlich wie den wieder aufgetrie-
benen Exemplaren der Ehrenpforte ergangen sein. Betreffs
ihrer Verwendung erliess am 14. April 1522 Karl V. von Brüssel
aus, wo er sich bei seiner Tante Margarethe befand, die wenig
im Sinne seines Ahnherrn gehaltene Anweisung an
Hans Baumgärtner, durch den Verkauf der Abdrucke
600 Gulden rheinisch zu lösen.2 Die einfachen
Drucke des Gebetbuches als unfertige Werke werden
noch weniger Bedeutung für ihn gehabt haben. Ob
eines davon von Dürer illu-
strirt war, gab bei der da-
mals am dortigen Hofe herr-
schenden Kunstrichtung
schwerlich einen beson-
deren Wunsch, es zu be-
sitzen. Man vergegenwär-
tige sich die kühle Aufnahme Dürers bei Margarethe und seine klagenden Worte im Tagebuch über
die »grosse Mühe und Arbeit«, die »Confirmacia« seines von Maximilian ihm ausgesetzten Leibgedings
vom Enkel erneuert zu erhalten;3 aber man denke auch an Dürers Brief an Kress, worin er für seine
Arbeit am Gebetbuch nicht einen besonderen Namen hat. Alles dieses spricht nicht für eine Einfor-
derung des Gebetbuches seitens Karl V.
Wahrscheinlicher wäre es, Karls Bruder Erzherzog Ferdinand als ersten Besitzer des Gebetbuches
zu vermuthen.4 Dieser beauftragte am 1. März 1526 den niederösterreichischen Kanzler Marx Treitz-
Fig. na. Theil einer Randleiste des Anonymus MA (Bl. 86v, Taf. XXVII).
1 Vgl. die Regesten aus dem k. k. Statthaltereiarchiv in Innsbruck im Jahrbuch, Bd. II, Nr. 1351, ferner 1352, i366.
2 Vgl. Jahrbuch, Bd. III, Regest 2970.
3 Lange und Fuhse, Dürers schriftlicher Nachlass, S. 137.
4 Jahrbuch, Bd. II, Regest 1511. In dem Inventar der in Innsbruck aufbewahrten und dem Erzherzog Ferdinand zu-
gesendeten Kleinodien vom 12. Februar 1524 heisst es: »zwai pergamenene, samatin petpuechlin mit silbrinen vergulten
spangen; eine slechts petpuechl mit ainer silbrinen clausur.« Mangels einer Nachricht, ob geschrieben oder gedruckt, fehlt
überhaupt jeder Anhalt zu einer Identificirung.