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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 20.1899

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I. Theil: Abhandlungen
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Modern, Heinrich: Die Zimmern'schen Handschriften der k. k. Hofbibliothek: Ein Beitrag zur Geschichte der Ambraser Sammlung und der k. k. Hofbibliothek
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https://doi.org/10.11588/diglit.5730#0122
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114 Heinrich Modern.

Der Verwalter des Haller Salzbergwerkes war beauftragt, Schiff, Fässer und Kisten, die sonst zum Salz-
transporte dienten, beizustellen. Nun aber, da der Kaiser abgereist war, begannen für Lambecius die
Schwierigkeiten. Er hatte nicht mit der Tiroler Eigenart, mit ihrer zähen Liebe für Land und Landes-
sache gerechnet. Der Salzbergwerksdirector, den Lambecius »den Salzmaieramptsverwalter« und einen
harten und unverschämten Menschen nennt, stellte nur widerwillig die Transportbehelfe bei. Aber
schliesslich wurden die Bücher doch, in Fässer und Kisten verpackt, zu Wagen nach Hall geführt, dort
am 2. November in das Schiff gebracht, vier eingeborene Schiffsleute und ein Diener des Lambecius
bestiegen es, Lambecius selbst kam erst in Schwaz nach und legte nun so die Reise, die er als ebenso
gefährlich wie unbequem schildert, bis Wien zurück. Das Schiff, das er mit so grosser Mühe vom
Salzmaier in Hall erhalten hatte, war nämlich leck und altersschwach; die Schiffsleute aber, »die
nichtsnutzigsten Zweifüsser«, erwiesen sich auf der Reise »so widerspänstig, verkommen und träge«,
dass sie in Nussdorf bei Wien aus Furcht vor Strafe am n. November bei Nacht und Nebel heim-
lich ausrissen. Wir können uns die Situation des gelehrten Norddeutschen unter den renitenten
Tiroler Schiffsknechten nach diesen Schilderungen lebhaft ausmalen. Am 12. November kam Lam-
becius, nachdem er in Nussdorf andere Schiffer aufgenommen hatte, um 10 Uhr Vormittags in Wien an.
Am i3. und 14. wurden die Fässer mit den Handschriften in der Hofbibliothek ausgepackt und am
15. November konnte Lambecius dem Kaiser, der sich zur Feier des Leopoldsfestes in Klosterneuburg
befand, dort über die gelungene Ueberführung der Ambraser Bücherschätze berichten.1

Lambecius, der sich darüber beklagt, dass ihm von einer zweiten Bibliothek der beiden letzten
regierenden Erzherzoge von Tirol, die sich in der Innsbrucker Burg befand, erst nach der Abreise des
Kaisers Kenntnis wurde, weil er auch deren Schätze zur Bereicherung der Hofbibliothek verwendet
hätte, ist von der Voraussetzung ausgegangen, dass er sämmtliche Handschriften der Ambraser Samm-
lung nach Wien überführt habe. Wir wissen, dass Lambecius sich diesbezüglich einer grossen Täu-
schung hingegeben hat. Er fand in der Kunstkammer einen Schrank, »den Bücherkasten«, mit
Handschriften. Die Inventur vom Jahre 1596 2 weist aber acht Schränke mit 194 Handschriften auf,
von welchen Lambecius nur die oben erwähnten 14 nach Wien gebracht hat. Das Verzeichnis dieser
14 Handschriften (darunter war zum Mindesten eine Zimmern'sche) findet sich im Sammelbande, Hand-
schrift Nr. 12462 der k. k. Hofbibliothek, f. i83 ff., in Form einer eigenhändig unterschriebenen
Bestätigung des Lambecius ddo. Ambras letzten October 1665 an den Schlosshauptmann von Ambras
über den Empfang von 569 geschriebenen und 1489 gedruckten Büchern aus der Bibliothek und dieser
14 Handschriften aus der Kunstkammer. Das Verzeichnis ist von Rueland, nicht von Lambecius ver-
fasst, die Handschriften aber sind nach der oben genannten Inventur höchst mangelhaft bezeichnet. Die
übrigen blieben vorläufig in Ambras, kamen erst 1806 nach Wien und sind heute ein Bestandtheil der
kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses. Lambecius scheint schon in der Kunst-
kammer auf widerhaarige Führer gestossen zu sein, die ihm nicht mehr zeigten, als sie gerade für
unumgänglich nöthig erachteten. Hielten doch die biederen Tiroler mit rührender Treue an dem
Nachlasse ihres Erzherzogs Ferdinand, was sich noch 1703 zeigte.3

1 Eine weitläufige Schilderung dieser Begebenheiten hat Lambecius in seinen »Commentarii de Augustissima Biblio-
theca Caesarea Vindobonensi, Liber II, Cap. VIII, S. 608—746, hinterlassen. Ich citire jetzt und in der Folge stets die
erste, von Lambecius selbst besorgte Ausgabe dieses Werkes (Vindobonae, typis Mathaei Cosmerovii 1665 ff.), da die
zweite, von Kolar besorgte doch im Ganzen nur ein wörtlicher Abdruck der ersten Ausgabe ist. Weitere Angaben über
diese Reise sind auch noch in der Handschrift der k. k. Hofbibliothek Nr. 12462 zu finden. Diese Handschrift stammt
von Lambecius, ist zum grösseren Theile von ihm eigenhändig geschrieben und enthält unter anderen tagebuchartige
Originalaufzeichnungen über diese Reise, insbesondere aber mehrere auf diese Ambraser Expedition bezügliche Urkunden
in Original.

2 Jahrbuch der Kunstsammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses VII, Reg. 5556, f. CCLXXXVIII—CCXCIII, 382
bis 401.

3 Als damals Kurfürst Max Emanuel im spanischen Erbfolgekriege in Tirol einrückte und einen Theil der Ambraser
Schätze, der nicht rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden konnte, mit Schiffen von Hall nach Baiern führen wollte,
zerstörte der Tiroler Landsturm am 21. Juli zu Hall die Schiffe und vereitelte damit, da bald darauf Max Emanuel den
Rückzug antreten musste, den beabsichtigten Beutezug.
 
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