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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 20.1899

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I. Theil: Abhandlungen
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Modern, Heinrich: Die Zimmern'schen Handschriften der k. k. Hofbibliothek: Ein Beitrag zur Geschichte der Ambraser Sammlung und der k. k. Hofbibliothek
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https://doi.org/10.11588/diglit.5730#0138
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l30 Heinrich Modern.

Titel benützt, die letzten abgekürzten Worte weggelassen. Zimmern Nr. »3« auf dem abgeschabten Rücken nur
mehr in Spuren erhalten.1

4. Ein gar alt geschrieben ff vetus cum glossa.

Tab. codd. 2249, Ambras 120, alte Bezeichnung: Jur. civ. 1.
Pergament, XIV. Jahrhundert, 3o6 Blätter, 475 X 290 Mm.
Digestum vetus Justiniani cum glossa Accursii.

37 Lagen, Quatemen bis auf die erste und letzte, die Quinternen sind, und die zi. (fol. 165—176), einen
Sextern. Reclamanten. Zwei Columnen Text zu je 48, zwei Columnen Glosse zu je 106 Zeilen. Randnotizen
aus verschiedenen Jahrhunderten. Auf dem Vorsetzblatte steht der Titel »ff vetus«, hierauf: »Hunc librum legavit
domina Barbara Staynhausserin relicta vidua zu Lam.« fol. 1: »Rubrice ff veteris.« fol. 2: eine Zusammen-
stellung »quibus causis minores in integrum restituantur« aus dem XV. Jahrhundert. Auf fol. 3o6' schliesst der
Text mit der Ueberschrift und den ersten Worten von Li D 24. 3 und bricht mitten im Satze »cum dotatas esse
feminas ad sobolem« ab, wie öfters in Handschriften des »Digestum vetus«. Subscriptio des Textes: »Finito libro
sit laus et gloria Cristo.« Subscriptio der Glosse: »Qui scripsit scribat, semper cum domino vivat.«2 Nach der
Subscriptio des Textes stehen, von anderer Hand geschrieben, folgende Worte: »Finitus et correctus per
Studium per me Jo. de Novillari, thesaurarium ecclesie sancti Thome Argentinensis, die Martis, 20. mensis Augusti
anno domini MCCCLXXXVII. Diese Notiz des Novillari hat die Verfasser der »Tabulae codicum« veranlasst, die
Handschrift 1387 zu datiren. Es ist aber einleuchtend, dass Novillari nicht der Schreiber der Handschrift ist. Als
er das »Digestum vetus« studirt und corrigirt hatte, setzte er die eben citirte Schlussnotiz bei. Diese prächtige
Handschrift ist in die erste Hälfte des XIV. Jahrhunderts zu setzen; sie stammt aus Italien. Die Handschrift
weist nebst anderen zahlreiche Correcturen und Randnotizen von Neuwillers 3 Hand auf, die sein bedeutendes
Wissen auf dem Gebiete des römischen und canonischen Rechtes beweisen.

Einband: Moderner, glatter Pergamentband mit dem kaiserlichen Adler in Goldpressung. Die Zimmern-
sche Provenienz ergibt sich aus folgenden Erwägungen. Dieses »Digestum vetus« war das einzige, das aus
Ambras nach Wien kam. Es wird im Zimmern'schen Kataloge so bezeichnet wie auf dem Vorsetzblatte der
Handschrift, mit Benützung derselben Abkürzung »ff« für Digestum, wobei es höchst zweifelhaft ist, ob Rammingen,
dessen Gelehrsamkeit sehr gering zu taxiren ist, die Bedeutung des »ff« überhaupt kannte. Vorhandene Titel
wurden von ihm fast immer wörtlich abgeschrieben.4

5. Ein alt geschrieben buch, reimenweis, dessen tittel: Schach \ ^abelspil dreierlei und die sieben
hauptspiel.

1 Vgl. Alois Primisser, Die k. k. Ambrasersammlung, Wien 1819, S. 289. Eduard Freiherr v. Sacken, Die k. k. Am-
brasersammlung, Wien 1855, II, 251. — Die Zimmern Nr. 3 (Decretum Gratiani), 8 (die Decretalen Gregors IX), 6 (Liber
Sextus) und 7 (die Clementinen, auch »liber septimus« genannt) bilden ein »corpus juris canonici«; es fehlen nur die Extra-
vagantes Joannis XXII und die »extravagantes communes«, von welchen eine authentische Sammlung bekanntlich nie publi-
cirt wurde. — Johannes Teutonicus (Semeca), später Propst von Halberstadt, stellte die »Glossa ordinaria« aus den Glossen
der Canonisten Sicardus, Johannes Faventinus, Johannes Bazianus, Huguccio u. a. zusammen. Diese Glosse des Johannes
Teutonicus wurde von Bartholomäus von Brescia umgearbeitet und vervollständigt. Johannes Semeca starb zwischen 1240
und 1276, Bartholomaeus Brixiensis 1258, angeblich von Ezzelino in Brescia ermordet. Vgl. Schulte, a. a. O. I, 46—75;
II, 83—88. Derselbe, Die Glosse zum Decret Gratians von ihren Anfängen bis auf die jüngste Ausgabe (Denkschriften der
kais. Akademie der Wissenschaften 1872). Friedberg, Corpus juris canon. I, Vorrede, S. 75 ff.

2 Vgl. Wattenbach, Schriftwesen, S. 499 und 503. Den letzten Vers fand Wattenbach hauptsächlich in italienischen
Handschriften, und zwar schon in einer Handschrift vom Jahre 1235.

3 Johannes de Novillari (Neuwiller) war Domherr von St. Thomas in Strassburg; in den erhaltenen Klosteracten ge-
schieht seiner l373 zum ersten Male Erwähnung; am 18. März 1374 kommt er als Domherr und Magister in dem Statut
des Capitels über die Theilung der Liegenschaften in Pfründe vor; er wird 1379 Thesaurar; sein Todesjahr ist nicht bekannt,
nur sein Todestag (12. October). Im Jahre 1397 ist bereits Nicolaus v. Retchenbach Thesaurar. Neuwiller muss also
zwischen 1387 und 1397 gestorben sein. Der Katalog der Bibliothek von St. Thomas in Strassburg, der gegen Schluss
des XIV. oder zu Beginn des XV. Jahrhunderts von Jakob Twinger von Königshofen abgefasst wurde, führt diese Pandekten-
handschrift nicht an. Vgl. Charles Schmidt, Histoire du chapitre St. Thomas de Strasbourg, Strassburg, Schmidt, 1860,
S. 273, 382, Nr. 79; 406 und 410, Nr. 93. Herr Dr. v. Göldlin hat mich auf Schmidts Werk freundlichst aufmerksam
gemacht.

4 Die Hofbibliothek besitzt eine schöne Handschrift des Digestum novum, Nr. 2258 (Jur. civ. 2), XIII. Jahrhundert,
die ebenfalls aus dem Besitze und einem Legate der Barbara Steinhauserin herstammt, wahrscheinlich ebenfalls vorher von
Johannes Novillari besessen wurde. Es lag nahe anzunehmen, dass auch die Handschrift Nr. 2258, gewissermassen der
dritte Theil der oben besprochenen, aus Ambras nach Wien gekommen sei und den weiteren Justinian der Zimmern'schen
Bibliothek (Nr. 66) repräsentire. Das hat sich aber als irrig herausgestellt. Dieses Digestum novum kommt schon in
einem Bibliothekskataloge des Hugo Blotius vor, war also viele Jahrzehnte früher in der Hofbibliothek als die Bücher aus
Ambras. Diese Handschriften des Digestum vetus und des Digestum novum waren also im Besitze des Neuwiller im
XIV. Jahrhundert, der Steinhauserin im XV. Jahrhundert und fanden sich zufällig im XVII. Jahrhundert wieder in der
k. k. Hofbibliothek zusammen. Vgl. Lambecius, S. 810.
 
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