l82 Franz Wickhoff.
dafür nur auf die zahlreichen und erfolgreichen Arbeiten Max Lehrs' hinweisen, dem sich drei andere
L mit den ihren prächtig anschliessen: Simon Laschitzer, Friedrich Lippmann und V. v. Loga.
Freilich wäre es unvorsichtig, von jedem anderen Buchstaben des Alphabetes eine gleiche Ergiebigkeit
zu erwarten.
Mit der Entwicklung der italienischen Malerei hängt die Entwicklung der vervielfältigenden
Künste nicht so enge zusammen wie mit der der deutschen. Doch fand ein Ereignis in Italien statt,
durch das die vervielfältigenden Künste für die allgemeine Kunstentwicklung von der folgereichsten
Bedeutung wurden. In Italien hat sich am Beginne des XVI. Jahrhunderts der Kupferstich
aus einer producirenden in eine reproducirende Kunst verwandelt.
Es war dadurch veranlasst, dass nun eine Classe von Kunstwerken ihrer Form und Gestalt halber
von Stechern, die ihren Schöpfern ganz ferne standen, reproducirt wurden, weil man jetzt überall be-
gierig war, gerade diese Kunstwerke kennen zu lernen. Das waren die Ueberreste der antiken Sculptur,
die sich in Rom erhalten hatten. So hängt der Ursprung der reproducirenden Kunst auf das
Innigste mit der geniessenden Freude an der antiken Kunst zusammen und die Stichelkunst und
das Studium der Antike machen von nun an ihren Weg zusammen, sich mannigfaltig und wechselweise
bedingend. Der Versuch, den Augenblick dieses Zusammenwachsens der Antike und des Kupferstiches
in Rom genauer zu bestimmen, als es bisher geschehen ist, soll zum Wenigsten hier gemacht werden.
Es ist bekannt und die alte Ueberlieferung, die uns Vasari mittheilt, darf nach dem Bestände der
noch vorhandenen Kupferstiche nicht bezweifelt werden, dass die Propaganda der Antike durch die
reproducirende Kunst vom Hause Raffaells von Urbino ausging, wo Marcanton aus Bologna
nach seinen Zeichnungen und den Zeichnungen seiner Schüler stach. Von dort aus wurde die Antike,
die vorher nur von etlichen wohlvorbereiteten Rompilgern bestaunt und spärlich gezeichnet worden
war, der weiten Welt bekannt gemacht. Es ist niemals untersucht worden, wie Marcanton zu Raffaell
kam; ob Raffaell der erste war, der ihm in Rom antike Kunstwerke stechen liess, oder ob nicht um-
gekehrt der vielbeschäftigte Meister erst auf Marcanton aufmerksam wurde, nachdem dieser schon
geschult war, die Antike zu reproduciren, und zwar besser geschult, als es seine Heimat Bologna er-
möglicht hatte, wo er die einzelnen Zeichnungen nach der Antike, die ihm zugeflattert waren, nur
missverstanden und umgebildet hatte wiedergeben können.
Wir suchen, um zu diesem Ziele zu gelangen, unter den frühesten römischen Arbeiten Marcantons
jene hervor, aus denen der Meister, der die Vorzeichnung lieferte, noch deutlich zu erkennen ist. Denn
jener unvergleichliche Techniker des Stichels konnte nicht componiren, ja, wie manche seiner Blätter
beweisen, kaum selbstständig zeichnen und war so schon in der Werkstatt des Francia in Bologna
nur zum Uebersetzen von gezeichneten Vorlagen in die Technik des Kupferstiches zu gebrauchen ge-
wesen. Francia, der diese Mängel und Vorzüge genau gekannt haben muss und, als er sie gegen-
einander abgewogen hatte, den Jungen doch in seiner Werkstatt geduldet, ja ihn treu und recht er-
zogen hatte, war der unmittelbare Anlass gewesen, die rein reproducirende Kunst zu scharfen. Denn
hätte Marcanton auch anders gewollt, er konnte eigene Erfindungen nicht stechen, weil er keine hatte.
Wir wollen also, sage ich, den Mann suchen, nach dessen Vorlagen Marcanton, als er nach Rom ge-
kommen war, stach und der ihn noch vor Raffaell auf die Antike hinwies. Nicht nur der Mann wird
uns beschäftigen müssen sondern auch die Kunstrichtung, aus der er hervorwuchs und die den Gedanken
absichtlicher, ordnungsmässiger Reproduction der Antike in ihm zeitigte, einen Gedanken, der dann in
der Werkstatt Raffaells fortzuwuchern bestimmt war. Das wird bei den Stichen nach der Antike gar
nicht so schwierig sein. Da die Sculpturen oft verstümmelt waren, noch nicht ergänzt, wie das später
im Cinquecento üblich wurde, der Stecher aber die Tendenz hatte, die Bildwerke möglichst vollständig
zu geben, so hatten von dem Zeichner einzelne Theile ergänzt werden müssen. Das war sogleich der
Fall bei einem Sarkophagrelief, das aus der Galleria Giustiniani in die kaiserliche Sammlung in
Wien gelangte. Es stellt Apollo, Athena und die Musen dar. Marcanton hat die Figuren einzeln
gestochen, in einer Technik voll von Versuchen, einen der Nachbildung der Steinfigur adäquaten Stil
zu finden (vgl. Taf. VI). Die Unausgeglichenheit der Behandlung weist diese Blätter an den Beginn
dafür nur auf die zahlreichen und erfolgreichen Arbeiten Max Lehrs' hinweisen, dem sich drei andere
L mit den ihren prächtig anschliessen: Simon Laschitzer, Friedrich Lippmann und V. v. Loga.
Freilich wäre es unvorsichtig, von jedem anderen Buchstaben des Alphabetes eine gleiche Ergiebigkeit
zu erwarten.
Mit der Entwicklung der italienischen Malerei hängt die Entwicklung der vervielfältigenden
Künste nicht so enge zusammen wie mit der der deutschen. Doch fand ein Ereignis in Italien statt,
durch das die vervielfältigenden Künste für die allgemeine Kunstentwicklung von der folgereichsten
Bedeutung wurden. In Italien hat sich am Beginne des XVI. Jahrhunderts der Kupferstich
aus einer producirenden in eine reproducirende Kunst verwandelt.
Es war dadurch veranlasst, dass nun eine Classe von Kunstwerken ihrer Form und Gestalt halber
von Stechern, die ihren Schöpfern ganz ferne standen, reproducirt wurden, weil man jetzt überall be-
gierig war, gerade diese Kunstwerke kennen zu lernen. Das waren die Ueberreste der antiken Sculptur,
die sich in Rom erhalten hatten. So hängt der Ursprung der reproducirenden Kunst auf das
Innigste mit der geniessenden Freude an der antiken Kunst zusammen und die Stichelkunst und
das Studium der Antike machen von nun an ihren Weg zusammen, sich mannigfaltig und wechselweise
bedingend. Der Versuch, den Augenblick dieses Zusammenwachsens der Antike und des Kupferstiches
in Rom genauer zu bestimmen, als es bisher geschehen ist, soll zum Wenigsten hier gemacht werden.
Es ist bekannt und die alte Ueberlieferung, die uns Vasari mittheilt, darf nach dem Bestände der
noch vorhandenen Kupferstiche nicht bezweifelt werden, dass die Propaganda der Antike durch die
reproducirende Kunst vom Hause Raffaells von Urbino ausging, wo Marcanton aus Bologna
nach seinen Zeichnungen und den Zeichnungen seiner Schüler stach. Von dort aus wurde die Antike,
die vorher nur von etlichen wohlvorbereiteten Rompilgern bestaunt und spärlich gezeichnet worden
war, der weiten Welt bekannt gemacht. Es ist niemals untersucht worden, wie Marcanton zu Raffaell
kam; ob Raffaell der erste war, der ihm in Rom antike Kunstwerke stechen liess, oder ob nicht um-
gekehrt der vielbeschäftigte Meister erst auf Marcanton aufmerksam wurde, nachdem dieser schon
geschult war, die Antike zu reproduciren, und zwar besser geschult, als es seine Heimat Bologna er-
möglicht hatte, wo er die einzelnen Zeichnungen nach der Antike, die ihm zugeflattert waren, nur
missverstanden und umgebildet hatte wiedergeben können.
Wir suchen, um zu diesem Ziele zu gelangen, unter den frühesten römischen Arbeiten Marcantons
jene hervor, aus denen der Meister, der die Vorzeichnung lieferte, noch deutlich zu erkennen ist. Denn
jener unvergleichliche Techniker des Stichels konnte nicht componiren, ja, wie manche seiner Blätter
beweisen, kaum selbstständig zeichnen und war so schon in der Werkstatt des Francia in Bologna
nur zum Uebersetzen von gezeichneten Vorlagen in die Technik des Kupferstiches zu gebrauchen ge-
wesen. Francia, der diese Mängel und Vorzüge genau gekannt haben muss und, als er sie gegen-
einander abgewogen hatte, den Jungen doch in seiner Werkstatt geduldet, ja ihn treu und recht er-
zogen hatte, war der unmittelbare Anlass gewesen, die rein reproducirende Kunst zu scharfen. Denn
hätte Marcanton auch anders gewollt, er konnte eigene Erfindungen nicht stechen, weil er keine hatte.
Wir wollen also, sage ich, den Mann suchen, nach dessen Vorlagen Marcanton, als er nach Rom ge-
kommen war, stach und der ihn noch vor Raffaell auf die Antike hinwies. Nicht nur der Mann wird
uns beschäftigen müssen sondern auch die Kunstrichtung, aus der er hervorwuchs und die den Gedanken
absichtlicher, ordnungsmässiger Reproduction der Antike in ihm zeitigte, einen Gedanken, der dann in
der Werkstatt Raffaells fortzuwuchern bestimmt war. Das wird bei den Stichen nach der Antike gar
nicht so schwierig sein. Da die Sculpturen oft verstümmelt waren, noch nicht ergänzt, wie das später
im Cinquecento üblich wurde, der Stecher aber die Tendenz hatte, die Bildwerke möglichst vollständig
zu geben, so hatten von dem Zeichner einzelne Theile ergänzt werden müssen. Das war sogleich der
Fall bei einem Sarkophagrelief, das aus der Galleria Giustiniani in die kaiserliche Sammlung in
Wien gelangte. Es stellt Apollo, Athena und die Musen dar. Marcanton hat die Figuren einzeln
gestochen, in einer Technik voll von Versuchen, einen der Nachbildung der Steinfigur adäquaten Stil
zu finden (vgl. Taf. VI). Die Unausgeglichenheit der Behandlung weist diese Blätter an den Beginn