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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 20.1899

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I. Theil: Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Die Werkstatt der Embriachi in Venedig
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https://doi.org/10.11588/diglit.5730#0278
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Die Werkstatt der Embriachi in Venedig.

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Wissenschaft gemacht zu haben, gebührt unbedingt zu gleichen Theilen dem trefflichen Sant' Ambrogio
und der Liberalität des jetzigen Besitzers.1

Ich will nicht erst den doch ziemlich aussichtslosen Versuch einer Reconstruction der beiden
visconteischen Truhen unternehmen, deren äussere Gestalt ja zahlreiche verwandte Stücke ahnen lassen.
Jedenfalls haben sie zu den grössten und
prächtigsten Exemplaren ihrer Gattung
gehört. Die Tafeln mit der Geschichte
der Aquila d'oro haben vermuthlich die
Seitenwände der einen, die übrigen die
der anderen Truhe geschmückt, die acht-
eckigen Medaillons (Fig. 1 und 2) viel-
leicht die Deckel, denen unbedingt die
uns schon wohlbekannten Streifen mit
Putti und Jagdthieren, jetzt als Einrah-
mungen verwendet, zugehören.

Die stilistischen Eigenthümlich-
keiten dieses wichtigen, historisch mit
aller wünschenswerthen Bestimmtheit
fixirbaren Denkmales erlauben uns nun,
eine ganze Gruppe verwandter Cofani,
die umfassendste von allen, derselben
Werkstatt zuzuweisen. Es sind die im
Kataloge mit der Ziffer Ia bezeichneten
Stücke, im Ganzen etwa fünfzig.

Sehen wir zunächst von der all-
gemeinen, sofort in die Augen springen-
den Uebereinstimmung der Formen-
behandlung, der Tracht und des Bei-
werkes ab, — die natürlich nach der
besseren oder geringeren Ausführung
gradweise verschieden ist, immer jedoch
den einheitlichen Werkstattcharakter er-
kennen lässt, — so ist vor Allem zu be-
merken, dass einzelne Stoffe und Motive der Gertosatruhen mit geringen Veränderungen auf den Käst-
chen dieser Gruppe wiederkehren. Es sind dies die Geschichten des Paris, der Mattabruna (in ab-
gekürzter Form auf den Kästchen in Ravenna und im Musee Cluny), von Pyramus und Thisbe, die des
Jason (die auf der Tafel in Casa Cagnola unorganisch an eine andere Darstellung gefügt scheint?), die
Darstellung der Temperantia (Deckel des Kästchens im Musee Cluny), die Bordüren mit den stets
wiederholten wappenhaltenden oder nach kleinem Gethier haschenden Putti auf Rosenblättern sowie
mit Thierdarstellungen (Kästchen in Wien Nr. 115), die Blattpfeiler, die auf dem Kästchen in Arles
(Nr. 1) wiederkehren, endlich die Lilien, die auch das freilich nicht über jeden Zweifel erhabene Frag-
ment in Pest (Nr. 92) aufweist, und noch manches kleine Detail.

Die übereinstimmende äussere Gestalt dieser Kästchen ist sehr charakteristisch. Ihre Grundform
ist bei der Mehrzahl länglich-viereckig, bei anderen achteckig, seltener sechseckig (vgl. Fig. 4 und 5);
die Grösse variirt von sehr bedeutenden Dimensionen (Certosa, Leamington) bis zu ganz kleinen For-
maten. Ihre decorative Wirkung ist sehr glücklich, nicht nur durch die reich und kräftig gegliederte

Fig. 5. Kästchen (Nr. 53) im South-Kensington Museum.

1 Einige Fragmente waren schon auf der historischen kunstgewerblichen Ausstellung zu Mailand im Jahre 1874 zu
sehen; sie fanden jedoch so gut wie gar keine Beachtung.

XX. 3t
 
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