Die Werkstatt der Embriachi in Venedig.
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Poissy gestiftet worden (s. das Detail in Fig. 3); mit den beiden anderen (r3o M. hoch), die als Gegen-
stücke gearbeitet sind und wenigstens ursprünglich das Leben Christi sowie des Täufers enthalten zu
haben scheinen, hat Philipp der Kühne i3g3 die Chartreuse seiner Residenz Dijon begabt; sie befinden
sich jetzt im Musee Cluny.1 Einer dieser Altäre (Nr. 1080) ist schon in alter Zeit einer durchgreifenden
Restauration unterzogen worden, die von den ursprünglichen Darstellungen nur wenig mehr übrig-
gelassen hat(Scenen aus dem Leben
Christi, die Dornenkrönung, Him-
melfahrt etc.). Er zeigt dagegen
heute die Gestalten der zwölf Apo-
stel, jedoch in Elfenbein und an-
scheinend von französischer Hand
herrührend; sie sind durchgängig
auf beiden Seiten von Beinreliefs
flankirt, mit Darstellungen jener
uns schon wohlbekannten Minne-
paare und Einzelfiguren der italie-
nischen Cofanetti, also offenbarem
Flickwerk. Sogar ein Relief aus
der Geschichte des Paris (Paris als
Wickelkind, von dem Hirten und
seiner Frau gehalten?) ist hieher
verschlagen worden (2. Streifen,
1. Abtheilung). Auch der andere Al-
tarweist dergleichen Einschübe auf.
Hier sind nachträglich (4. Streifen,
1. und 2. Abtheilung, schon äusser-
lich durch anderes Format heraus-
fallend) Bruchstücke aus der Ge-
schichte von Pyramus und Thisbe
eingesetzt worden. Aus der Abtei
Cluny soll dann noch ein grosser dreitheiliger Retable mit dem Leben Christi und des Täufers
stammen, derzeit im Besitze eines Herrn Gillier.2 Ein sechster Altaraufsatz endlich, nur mehr in Frag-
menten erhalten, ist aus der Sammlung Gigli-Campana in das South-Kensington Museum gelangt; über
seine Provenienz scheint nichts bekannt zu sein.3
Von dieser unmittelbar mit der Werkstatt des Baldassarre zusammenhängenden Gruppe scheidet
sich durch stilistische Besonderheiten eine zweite verwandte Folge höfischen Geräths (im Katalog
mit Ib bezeichnet). Der äussere Aufbau der zu dieser jüngeren Gruppe gehörigen Cofanetti ist im
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—ummS
Fig. 8. Seitenansicht des Kästchens Nr. 122, im Besitze Sr. k. u. k. Hoheit
des Erzherzogs Franz Ferdinand von Oesterreich-Este.
1 Nr. 1079 und 1080. Du Sommerard (Catalogue du Musee des Thermes etc., Paris 1865), Nr. 418 und 1979.
Molinier führt irrthümlich drei Altarvorsätze aus Dijon auf. Herr Director E. Saglio war so gütig, mir eingehende Mit-
theilungen über diese Stücke zukommen zu lassen. Es sind zweifellos die beiden Altäre, die Philipp der Kühne i3g3 von
seinem varlet de chambre, dem Bildschnitzer Berthelot Heliot, der in diesem Falle also nur als Zwischenhändler auftritt, um
die Summe von 500 Francs für die Chartreuse von Dijon gekauft hat. Die Fassung der folgenden, bei Dehaisnes, Docu-
ments et extraits divers concernant l'histoire de l'art dans la Flandre, Lille 1886, II, 712, mitgetheilten Stelle lässt darüber
keinen Zweifel: »Compte d'Amiot Arnaut pour les ouvrages de la Chartreuse de Dijon, du lor janvier au 3l dec. i3g3.«
fol. 90v: >A Berthelot Heliot, varlet de chambre de mon seigneur, pour deus grans tableaus d'yvoire ä ymaiges dont Tun
d'iceulx est de la Passion Noslre Seigneur et l'autre est de la vie monsieur Saint Jehan Baptiste lesquelz tableaus mon dit
seigneur a achatez du dit Berthelot et yceulx donnez ä l'eglise des Chartreux dudit Champmol . . . . V c frans.« (Ar-
chives dep. de la Cöte d'or, B 11672.) Sie werden von der Tradition »les oratoires des duchesses de Bourgogne« genannt.
2 Molinier, Catalogue, p. 227. Er ist in Photographie wiedergegeben in dem mir nicht zugänglichen Katalog der
Exposition Forezienne von 1890, Nr. 58.
3 Semper, a. a. O., S. 162.
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Poissy gestiftet worden (s. das Detail in Fig. 3); mit den beiden anderen (r3o M. hoch), die als Gegen-
stücke gearbeitet sind und wenigstens ursprünglich das Leben Christi sowie des Täufers enthalten zu
haben scheinen, hat Philipp der Kühne i3g3 die Chartreuse seiner Residenz Dijon begabt; sie befinden
sich jetzt im Musee Cluny.1 Einer dieser Altäre (Nr. 1080) ist schon in alter Zeit einer durchgreifenden
Restauration unterzogen worden, die von den ursprünglichen Darstellungen nur wenig mehr übrig-
gelassen hat(Scenen aus dem Leben
Christi, die Dornenkrönung, Him-
melfahrt etc.). Er zeigt dagegen
heute die Gestalten der zwölf Apo-
stel, jedoch in Elfenbein und an-
scheinend von französischer Hand
herrührend; sie sind durchgängig
auf beiden Seiten von Beinreliefs
flankirt, mit Darstellungen jener
uns schon wohlbekannten Minne-
paare und Einzelfiguren der italie-
nischen Cofanetti, also offenbarem
Flickwerk. Sogar ein Relief aus
der Geschichte des Paris (Paris als
Wickelkind, von dem Hirten und
seiner Frau gehalten?) ist hieher
verschlagen worden (2. Streifen,
1. Abtheilung). Auch der andere Al-
tarweist dergleichen Einschübe auf.
Hier sind nachträglich (4. Streifen,
1. und 2. Abtheilung, schon äusser-
lich durch anderes Format heraus-
fallend) Bruchstücke aus der Ge-
schichte von Pyramus und Thisbe
eingesetzt worden. Aus der Abtei
Cluny soll dann noch ein grosser dreitheiliger Retable mit dem Leben Christi und des Täufers
stammen, derzeit im Besitze eines Herrn Gillier.2 Ein sechster Altaraufsatz endlich, nur mehr in Frag-
menten erhalten, ist aus der Sammlung Gigli-Campana in das South-Kensington Museum gelangt; über
seine Provenienz scheint nichts bekannt zu sein.3
Von dieser unmittelbar mit der Werkstatt des Baldassarre zusammenhängenden Gruppe scheidet
sich durch stilistische Besonderheiten eine zweite verwandte Folge höfischen Geräths (im Katalog
mit Ib bezeichnet). Der äussere Aufbau der zu dieser jüngeren Gruppe gehörigen Cofanetti ist im
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Fig. 8. Seitenansicht des Kästchens Nr. 122, im Besitze Sr. k. u. k. Hoheit
des Erzherzogs Franz Ferdinand von Oesterreich-Este.
1 Nr. 1079 und 1080. Du Sommerard (Catalogue du Musee des Thermes etc., Paris 1865), Nr. 418 und 1979.
Molinier führt irrthümlich drei Altarvorsätze aus Dijon auf. Herr Director E. Saglio war so gütig, mir eingehende Mit-
theilungen über diese Stücke zukommen zu lassen. Es sind zweifellos die beiden Altäre, die Philipp der Kühne i3g3 von
seinem varlet de chambre, dem Bildschnitzer Berthelot Heliot, der in diesem Falle also nur als Zwischenhändler auftritt, um
die Summe von 500 Francs für die Chartreuse von Dijon gekauft hat. Die Fassung der folgenden, bei Dehaisnes, Docu-
ments et extraits divers concernant l'histoire de l'art dans la Flandre, Lille 1886, II, 712, mitgetheilten Stelle lässt darüber
keinen Zweifel: »Compte d'Amiot Arnaut pour les ouvrages de la Chartreuse de Dijon, du lor janvier au 3l dec. i3g3.«
fol. 90v: >A Berthelot Heliot, varlet de chambre de mon seigneur, pour deus grans tableaus d'yvoire ä ymaiges dont Tun
d'iceulx est de la Passion Noslre Seigneur et l'autre est de la vie monsieur Saint Jehan Baptiste lesquelz tableaus mon dit
seigneur a achatez du dit Berthelot et yceulx donnez ä l'eglise des Chartreux dudit Champmol . . . . V c frans.« (Ar-
chives dep. de la Cöte d'or, B 11672.) Sie werden von der Tradition »les oratoires des duchesses de Bourgogne« genannt.
2 Molinier, Catalogue, p. 227. Er ist in Photographie wiedergegeben in dem mir nicht zugänglichen Katalog der
Exposition Forezienne von 1890, Nr. 58.
3 Semper, a. a. O., S. 162.