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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 20.1899

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I. Theil: Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Die Werkstatt der Embriachi in Venedig
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https://doi.org/10.11588/diglit.5730#0311
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Die Werkstatt der Embriachi in Venedig.

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Theseus selbst, sein unbequemes Gefängnis zu verlassen. Nun wird der Fluchtplan geschmiedet. Dem
Adler wird der Schnabel abgebrochen; er muss dem Goldschmied (sammt dem neuerdings versteckten
Theseus) zur Herstellung übergeben werden. Nächtens begibt sich Theseus mit vertrauten Freunden
zu Schiff unter den am Ufer gelegenen Thurm der Kaisertochter. Diese entflieht, sich durch das
Fenster an einem Seil herablassend, mit dem Geliebten. Zum Schlüsse folgt die Aussöhnung mit dem
Kaiser. Das ist der Hauptinhalt der beiden Tafeln; zahlreiche Füllscenen schieben sich in die Haupt-
handlung ein, die zum Theile nicht genügend erklärbar sind. Manche Scenen scheinen sich übrigens
auch hier nicht an richtiger Stelle
zu befinden.

3. Cyklus aus einem noch
unerklärten Romane (Casa Ca-
gnola, Taf. XXXVI). Es war mir
bisher nicht möglich, den hier dar-
gestellten Stoff literarisch nach-
zuweisen, obwohl er in manchen
Einzelheiten an Episoden der fran-
zösischen Epopöe erinnert. Ich
gebe daher die betreffende Tafel
in grösserem Massstabe; vielleicht,
dass einem Fachmanne die Erklä-
rung gelingt. Die ersten Reliefs so-
wie der Ritter im Schiffe (4. Strei-
fen) scheinen mir, wie schon gesagt,
dem Jasonroman anzugehören. Da-
gegen gehört vielleicht eine abge-
sondert erhaltene Relieffolge in
Casa Cagnola hieher (Fig. 27: ein
König, ganz so wie in den folgenden
Scenen dargestellt, die Hand auf
das Haupt eines Jünglings legend;
dieser dann von zwei Bischöfen
getauft; endlich als Ritter einge-
kleidet).

Der Cyklus scheint mit einer
Jagd zu beginnen, der ein Schütze, mit Waidtasche und Bogen ausgerüstet, obliegt (1. Streifen). Es
folgt das Gespräch einer fürstlichen Frau mit einem Einsiedler (?); daneben sehen wir eine alte
Frau, die einen undeutlichen Gegenstand (eine Schnur?) hält, im Gespräche mit dem Jäger. Die
nächste Scene zeigt König und Königin (die sich anscheinend widerwillig abwendet) im Ehebette
(2. Streifen). Im 3. Streifen bedroht der (eifersüchtige ?) König seine Gattin, die, ihre Unschuld
betheuernd, das Gewand auf ihrer Brust aufreisst, mit dem Schwerte; die alte Frau erhebt abmahnend
die Hand. Daneben sehen wir die letztere wiederum im Gespräche mit dem Jäger, der diesmal eine
Art Spindel (?) hält. Es folgt das Gericht über die Königin (?); sie kniet vor einem Pfahl, während
der König mit dem Gefolge diesem Ordal (?) assistirt. Der 4. Streifen zeigt eine Seelandschaft; die
in einem Nachen1 entflohene Königin (?) wird von einer Flotte mit bewaffneten Kriegern verfolgt.
Hierauf (5. Streifen) eine Zusammenkunft zweier Heere. Der Führer des einen, hinter dem der oben
erwähnte Eremit(?) zu Pferde erscheint, verhandelt mit dem König. Im 6. Streifen erscheint aber-

Fig. 3o. Rückseite des Kästchens Nr. 102.
(Rom.)

1 Wenn dies nicht (wie das nebenstehende Relief) zur Geschichte des Jason gehört; vgl. die ganz übereinstimmende
Darstellung besonders auf dem Kästchen im Musee Cluny, wo Jason, gleichfalls ganz unbewaffnet, unbedeckten Hauptes, im
Kahne erscheint.

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