3oo
Wendelin Boeheim.
Es genügt ein nur ganz oberflächlicher Vergleich dieses
Harnisches mit jenem Heinrich VIII., um zu erkennen, dass
beide von einem und demselben Meister gefertigt worden sind.
Betrachten wir die Formen des Harnisches H e i n r i c h VIII.,
namentlich jene des Helmes genauer, so unterliegt es keinem
Zweifel, dass wir auch in dem halben Feldharnische (Saal XXV,
Kat. Nr. 8), der in den ältesten Inventaren dem Kaiser Maxi-
milian I. zugeschrieben ist, eine Arbeit Konrad Seusen-
hofers zu erblicken haben (Taf. XLII). Ganz sicher war er
ursprünglich ein ganzer Harnisch; das Beinzeug aber ist schon
in früher Zeit abhanden gekommen. Der Harnisch ist blank
gehalten, mit Randstreifen in Goldschmelz auf gebläutem
Grunde.
Der Helm gehört jener Gattung zu, welche Seusenhofer
W tijjfo lil »der newen furm« benennt. Er hat einen sehr flachen gekehlten
%*" § |*f^B Tb» Kamm; das Scheitelstück verläuft genau wie am Helme Hein-
rich VIII. rückwärts in eine schmale Zunge, über welche sich
das zweitheilige, in Charnieren laufende Kinnreff legt (Fig. 6).
Das Visir, mit dem Stirnstulp aus einem Stücke, ist aufschläch-
tig. Dieses sowohl als das Kinnreff zeigt zahlreiche dicht an-
geordnete spaltenförmige Durchlöcherungen.1 Der Kragen ist
von aussen an die Brust geschraubt; er ist mit noch gothischem
Randornament und der Colane des Vliessordens in Goldschmelz
geziert. Die geschobenen Achseln besitzen keine Vorder- und
nur sehr kleine Hinterflüge. Die halben Armmuscheln sind
schön ausgetrieben und geschweift gebildet. Die Schwebe-
scheiben mit geschmelzten Rändern sind mittelst Federzapfen
an den Achseln befestigt. Die Hentzen mit nur sehr niederen
Stulpen sind geschoben. Die Fassbrust ist einmal geschiftet
und weist noch die Löcher für einen Rüsthaken auf, der jedoch
abgängig ist. Ueber dieselbe laufen in Form eines Andreas-
kreuzes zwei gekehlte schmale Striche, welche mit gothisiren-
dem Blattornament in Goldschmelz geziert sind. An die Brust
schliessen sich fünf Bauchreifen und mit diesen sind wieder die
neunmal geschobenen Beintaschen in Verbindung. Der Gesäss-
schurz ist dreimal geschoben. Alle Folgen sind in gothischer
Zeichnung gezackt ausgeschnitten.
Wir sind nicht geneigt, in dem vorstehenden Harnisch
jenen zu erblicken, der 1514 geschlagen wurde. Die Formen
weisen auf eine frühere Zeit, in der Alles noch im Versuchs-
zustande und die Gothik noch herrschend war. Sicher erfolgte
die Auszierung nicht in Innsbruck, sehr wahrscheinlich aber in
Augsburg. Wir würden die Arbeit Konrads auf spätestens 1500
anberaumen.
Ein besonderes Interesse kann aber ein anderer Knabenharnisch (Saal XXV, Kat. Nr. 126) der
kaiserlichen Waffensammlung aus dem Grunde für sich in Anspruch nehmen, weil er augenscheinlich
Fig. 7. Harnisch des Erzherzogs,
späteren Kaisers Karl V. von 15 11.
Unvollendet.
1 Offenbar um das Gewicht etwas zu vermindern, vornehmlich aber die Ausdünstung zu befördern. Der Helm war
immer das beschwerlichste Rüststück.
Wendelin Boeheim.
Es genügt ein nur ganz oberflächlicher Vergleich dieses
Harnisches mit jenem Heinrich VIII., um zu erkennen, dass
beide von einem und demselben Meister gefertigt worden sind.
Betrachten wir die Formen des Harnisches H e i n r i c h VIII.,
namentlich jene des Helmes genauer, so unterliegt es keinem
Zweifel, dass wir auch in dem halben Feldharnische (Saal XXV,
Kat. Nr. 8), der in den ältesten Inventaren dem Kaiser Maxi-
milian I. zugeschrieben ist, eine Arbeit Konrad Seusen-
hofers zu erblicken haben (Taf. XLII). Ganz sicher war er
ursprünglich ein ganzer Harnisch; das Beinzeug aber ist schon
in früher Zeit abhanden gekommen. Der Harnisch ist blank
gehalten, mit Randstreifen in Goldschmelz auf gebläutem
Grunde.
Der Helm gehört jener Gattung zu, welche Seusenhofer
W tijjfo lil »der newen furm« benennt. Er hat einen sehr flachen gekehlten
%*" § |*f^B Tb» Kamm; das Scheitelstück verläuft genau wie am Helme Hein-
rich VIII. rückwärts in eine schmale Zunge, über welche sich
das zweitheilige, in Charnieren laufende Kinnreff legt (Fig. 6).
Das Visir, mit dem Stirnstulp aus einem Stücke, ist aufschläch-
tig. Dieses sowohl als das Kinnreff zeigt zahlreiche dicht an-
geordnete spaltenförmige Durchlöcherungen.1 Der Kragen ist
von aussen an die Brust geschraubt; er ist mit noch gothischem
Randornament und der Colane des Vliessordens in Goldschmelz
geziert. Die geschobenen Achseln besitzen keine Vorder- und
nur sehr kleine Hinterflüge. Die halben Armmuscheln sind
schön ausgetrieben und geschweift gebildet. Die Schwebe-
scheiben mit geschmelzten Rändern sind mittelst Federzapfen
an den Achseln befestigt. Die Hentzen mit nur sehr niederen
Stulpen sind geschoben. Die Fassbrust ist einmal geschiftet
und weist noch die Löcher für einen Rüsthaken auf, der jedoch
abgängig ist. Ueber dieselbe laufen in Form eines Andreas-
kreuzes zwei gekehlte schmale Striche, welche mit gothisiren-
dem Blattornament in Goldschmelz geziert sind. An die Brust
schliessen sich fünf Bauchreifen und mit diesen sind wieder die
neunmal geschobenen Beintaschen in Verbindung. Der Gesäss-
schurz ist dreimal geschoben. Alle Folgen sind in gothischer
Zeichnung gezackt ausgeschnitten.
Wir sind nicht geneigt, in dem vorstehenden Harnisch
jenen zu erblicken, der 1514 geschlagen wurde. Die Formen
weisen auf eine frühere Zeit, in der Alles noch im Versuchs-
zustande und die Gothik noch herrschend war. Sicher erfolgte
die Auszierung nicht in Innsbruck, sehr wahrscheinlich aber in
Augsburg. Wir würden die Arbeit Konrads auf spätestens 1500
anberaumen.
Ein besonderes Interesse kann aber ein anderer Knabenharnisch (Saal XXV, Kat. Nr. 126) der
kaiserlichen Waffensammlung aus dem Grunde für sich in Anspruch nehmen, weil er augenscheinlich
Fig. 7. Harnisch des Erzherzogs,
späteren Kaisers Karl V. von 15 11.
Unvollendet.
1 Offenbar um das Gewicht etwas zu vermindern, vornehmlich aber die Ausdünstung zu befördern. Der Helm war
immer das beschwerlichste Rüststück.