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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 20.1899

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I. Theil: Abhandlungen
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Boeheim, Wendelin: Die Waffenschmiede Seusenhofer, ihre Werke und ihre Beziehungen zu habsburgischen und anderen Regenten
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https://doi.org/10.11588/diglit.5730#0360
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Die Waffenschmiede Seusenhofer, ihre Werke und ihre Beziehungen zu habsburgischen und anderen Regenten. 3 l3

Visir. Von einer Stielscheibe im Nacken ist noch der Stift
vorhanden. Die geschobenen Achseln haben hohe Stoss-
krägen aufgenietet. Die Armbeugen decken ganze Mu-
scheln. Die Stulpen der Handschuhe sind stark geschweift
gebildet. Auch hier besitzt die Brust einen stumpfen
Tapul; daran schliessen zwei Bauchreifen, an die die drei-
mal geschobenen Beintaschen geschnallt sind. Der Rüst-
haken ist abgängig. Auf dem Rücken erscheint im Aetz-
werk der einköpfige Königsadler mit Neuösterreich und
Burgund im Herzschild. Die Diechlinge sind oben einmal
geschiftet, die Kniebeugen decken kleine Muscheln. Die
breiten Schuhe sind abgehackt geformt. Bei dieser Har-
nischgarnitur, die kaum mehr ganz vollständig ist, be-
finden sich noch eilf Wechsel- und Verstärkungsstücke;
auch zählt hiezu noch ein Harnischröckchen von schwar-
zem Wollenzeuge mit schmalen Hängeärmeln, dessen
defecte Schösse mit schwarzem Seidenzeuge gefüttert sind.

Das nach dem Ableben des Erzherzogs Ferdinand
von Tirol 1596 abgefasste Inventar, welches nur den ersten
Harnisch nebst dem Harnischröckchen anführt, sagt über
beide: »Ain geripte ganze weisse rüstung, darbei ain
schwert in ainer schwarz sammeten schaiden und ain
schwarz wulles röckhl, so er (Ferdinand I.) über den har-
nisch gefüert, als er sein gemahl beclagtund in den Säch-
sischen krieg gebraucht, als der churfürst gefangen wor-
den« (1547).z Auf das oberwähnte bestellte Gelieger,
welches erst im Jänner 1539 abgeliefert wurde, kommen
wir noch später zu sprechen. Mittlerweile fertigte Jörg
im Jahre 1538 für den König neben diesem Gelieger einen
Hauptharnisch (Helm) mit einem Mantel (Stirnstulp) und
einem ungarischen Visir, dann einen doppelt geschifteten
Küriss mit allen Doppelstücken, für deren Arbeit, ferner
für Gold, Silber und Seidenwaaren er von der Kammer
Abschlagszahlungen erhielt.

Zwischen die Jahre 1527 und 1530 fällt ein ganz
sonderbares Werk Jörgs, der burgundische Helm mit
dem Visir in der Form einer Fuchsschnauze in der kaiser-
lichen Waffensammlung in Wien (Saal XXVII, Kat.
Nr. 283), mit dessen Form der Meister bis an das Ende
des XIV. Jahrhunderts, die Zeit der »Hundsgugeln«

d»*

Fig. 12. Harnisch des Königs Ferdinand I.
Kaiserliche Waffensammlung zu Wien.

1 Diese Harnischgarnitur hatte ein eigenthümliches Schicksal.
Nach dem Ableben des Kaisers 1564, nach welchem das gesammte
Erbe und speciell die Waffenkammer an dessen drei Söhne vertheilt

wurde, gelangte der erstbeschriebene Harnisch mit allen übrigen Einzelstücken an den Erzherzog Ferdinand von Tirol und
damit später in die Ambraser Sammlung; der zweite Harnisch kam in den Besitz des Kaisers Maximilian IL, von da in weiterer
Vererbung im XVIII. Jahrhundert nach Auflösung der kaiserlichen Waffenkammer in der Burg in das kaiserliche Zeughaus
in der Renngasse und von da in das Artillerie-Arsenal. Durch die Vereinigung der historischen Waffen im neuen kunst-
historischen Museum 188g gelangten beide durch 325 Jahre getrennt gewesenen Harnische wieder zusammen. Das oberwähnte
Schwert mag noch in der Sammlung vorhanden sein; seine Zugehörigkeit aber ist im Laufe der Zeit in Vergessenheit gerathen,
zumal es nur sehr flüchtig beschrieben wurde.
 
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