Die ältesten Beschreibungen der kaiserlichen Schatzkammer zu Wien.
CXCI
welche des Schatzmeisters eigener Erzehlung nach un-
schädlich, undt also gezeiget worden Anno 1677«, und
ist ausführlicher und vollständiger als Browns Bericht,
obwohl auch dieser einzelne Angaben enthält, die meiner
Handschrift fehlen.
Vergleicht man nun den Inhalt dieses unschein-
baren Heftes von 14 beschriebenen und 4 leeren Blättern
mit der »neu vermehrten Beschreibung« vom Jahre
1702, so kann kein Zweifel darüber aufkommen, welche
von beiden Fassungen die ältere ist. Während nämlich
in meiner Handschrift kein einziges Datum über das
Jahr 1677 heruntergeht und von der Schlacht bei
St. Gotthard, vom Tode des Erzherzogs Sigismund
Franz u. dgl. als von nicht lange vergangenen Ereig-
nissen gesprochen wird, stellt sich der Druck von 1702
als eine Erweiterung in der Art dar, dass unter An-
derem auch auf die Zuwächse der Schatzkammer seit
der zweiten Türkenbelagerung wiederholt Rücksicht ge-
nommen wird. Da nun der Schriftcharakter des Manu-
scripts in das letzte Viertel des XVII. Jahrhunderts
hineinpasst, so liegt weder ein äusserer noch ein innerer
Grund vor, die Authenticität der Jahreszahl 1677 an-
zuzweifeln, welche überdies kein späterer Zusatz ist
sondern von der Hand des Schreibers des ganzen Ver-
zeichnisses herstammt. Aus den Worten »welche des
Schatzmeisters eigener Erzehlung nach unschäzlich,
undt also gezeiget worden Anno 1677« scheint
überdies hervorzugehen, dass die Aufzeichnung nach
Autopsie erfolgte. Anhaltspunkte Z">~ Bestimmung der
Person des Verfassers sind uns dagegen nicht gegeben.
Bei der Herausgabe der Handschrift wurden die-
jenigen Grundsätze beobachtet, nach welchen die Edition
des Inventars der Kunstsammlungen des Erzherzogs
Leopold Wilhelm im I. Bande dieses Jahrbuches durch
Herrn Archivar Adolf Berger besorgt wurde. Es wurde
darum die Orthographie der Vorlage im Ganzen un-
geachtet ihrer Regellosigkeit beibehalten; nur wurden
die angedeuteten Abkürzungen aufgelöst und die grossen
und kleinen Anfangsbuchstaben sowie die Interpunction
nach unserem modernen Gebrauche geregelt. An ein
paar Stellen, wo das Verzeichnis von 1677 undeutliche
Lesungen oder offenbare Verstösse aufweist, wurden
die später gedruckten Beschreibungen zur Erklärung
herangezogen. Eine systematische Vergleichung un-
serer Handschrift mit denselben wurde jedoch mit Ab-
sicht unterlassen, da sich eine solche in den Rahmen
der »Quellen zur Geschichte der kaiserlichen Haus-
sajnmlungen« nicht gut einfügen würde; nur erschien
es als zweckmässig, Ergänzungen aus Browns Reisen
beizugeben, um die Uebersicht über den Bestand der
Schatzkammer während der Jahre 1668—1685 Z" ver-
vollständigen.
F. 1.
KURTZE VERZEICHNUS
der vornehmbsten Stuck, so in Ihro kayserlichen Mayestät weltlich- und geistlichen Schatz-
Cammer zu Wien denckhwürdig zu sehen, welche deß Schatzmeisters eigener Erzehlung
nach unschäzlich undt also gezeiget worden Anno 1677.
Ihro Römisch kayserlichen Mayestät weltliche Schatz-Cammer betreffendt.
Der Eingang ist bey dem Hoff-Ballhause, da, wann
man hinein kommt auf der lincken Hand hinauff eine
kleine Thür den Auffgang öffnet, durch welche man
eine Treppen hoch hinauff gehet und kommt in einen
Saal, 62 Schritt lang und 17 Schritt breit, deßen Fenster
in den Burggarten hineingehen, in welchem an der
Mauer neben einander stehen i3 schöne schwarze ge-
baizste Kästen oder Schrancken, mit allerhand Mallerey
untermänget und geziert, unter welchem, von der rechten
Seithen des Eingangs oben an gerechnet:
Der Erste besetzt ist mit allerhand von Helffen-
bein, Rinocerot-Horn (sie), Einhorn und Agatstein
künstlich gedrexelten Meisterstücken als: Pocalen,
Schalen, Becher, Kannen, Schiffen, Bildtnißer (sie) und
andere, worunter die vornehmsten Stuck geachtet wer-
den, wie folgt:
Ein groses Pocal, von einem Rinocerothorn ge-
drehet, dessen Deckel verguldt und von Silber, mit
2 Zähnen von einem Rinocerot.
Item eine grose aber ganz subtile von Helffenbein
ausgearbeite Gallee (Galeere).
Item eine Kanne von Helffenbein, darinnen von
einem Bildhauer sehr künstlich das Paradiß von allen
Thiern geschnitten.
Sonsten sind in diesem Kasten unterschiedliche
Kästlein von Agatstein.
Item eine kleine Kanne von Helffenbein, so der
jezigeKayserLeopoldus mit eigener Hand gedrehet, und
eine grösere, so der Kaiser Ferdinandus III. gedrehet.
Noch eine von den letzten verstorbenen Ertz-
herzogen Sigismundo von Inspruck.
Im untern Vach sind rothe gewachsene Corallen.'
2. — Der andere Schrank ist ingleichen wie der
erste mit allerhand aus Helffenbein gedrehten Ge-
schirren, als Schalen, grosen Bechern und Bildern, an-
gefüllt und wird vornehmlich darinn gezeiget:
Ein hohes Pocal, aus einem Helephanten-Zahn
gedrehet, dessen Corpus auff einen Helephanten ruhet,
so ein Herzog von Sachsen gemacht haben solle.
Eine hohe Sphoera aus einem unzergänzsten Stuckh
mit einen kleinen Löchlein, worinnen ein Wild2 ge-
macht.
1 Brown erwähnt aus dem ersten Kasten noch: Sehr artige
Trinck-Geschirr von Agtstein, Leffel und Geschirre von Perle-
Mutter.
- 2 sie. — 1702, S.Si: mit einem kleinen Bildlein, worinnen
ein Bilde gemahlet. — K. 831: Eine Spha;ra oder Himmelskugel,
in welcher eine kleine Statua, worein noch ein Bildniss ge-
mahlet, stehet.
CXCI
welche des Schatzmeisters eigener Erzehlung nach un-
schädlich, undt also gezeiget worden Anno 1677«, und
ist ausführlicher und vollständiger als Browns Bericht,
obwohl auch dieser einzelne Angaben enthält, die meiner
Handschrift fehlen.
Vergleicht man nun den Inhalt dieses unschein-
baren Heftes von 14 beschriebenen und 4 leeren Blättern
mit der »neu vermehrten Beschreibung« vom Jahre
1702, so kann kein Zweifel darüber aufkommen, welche
von beiden Fassungen die ältere ist. Während nämlich
in meiner Handschrift kein einziges Datum über das
Jahr 1677 heruntergeht und von der Schlacht bei
St. Gotthard, vom Tode des Erzherzogs Sigismund
Franz u. dgl. als von nicht lange vergangenen Ereig-
nissen gesprochen wird, stellt sich der Druck von 1702
als eine Erweiterung in der Art dar, dass unter An-
derem auch auf die Zuwächse der Schatzkammer seit
der zweiten Türkenbelagerung wiederholt Rücksicht ge-
nommen wird. Da nun der Schriftcharakter des Manu-
scripts in das letzte Viertel des XVII. Jahrhunderts
hineinpasst, so liegt weder ein äusserer noch ein innerer
Grund vor, die Authenticität der Jahreszahl 1677 an-
zuzweifeln, welche überdies kein späterer Zusatz ist
sondern von der Hand des Schreibers des ganzen Ver-
zeichnisses herstammt. Aus den Worten »welche des
Schatzmeisters eigener Erzehlung nach unschäzlich,
undt also gezeiget worden Anno 1677« scheint
überdies hervorzugehen, dass die Aufzeichnung nach
Autopsie erfolgte. Anhaltspunkte Z">~ Bestimmung der
Person des Verfassers sind uns dagegen nicht gegeben.
Bei der Herausgabe der Handschrift wurden die-
jenigen Grundsätze beobachtet, nach welchen die Edition
des Inventars der Kunstsammlungen des Erzherzogs
Leopold Wilhelm im I. Bande dieses Jahrbuches durch
Herrn Archivar Adolf Berger besorgt wurde. Es wurde
darum die Orthographie der Vorlage im Ganzen un-
geachtet ihrer Regellosigkeit beibehalten; nur wurden
die angedeuteten Abkürzungen aufgelöst und die grossen
und kleinen Anfangsbuchstaben sowie die Interpunction
nach unserem modernen Gebrauche geregelt. An ein
paar Stellen, wo das Verzeichnis von 1677 undeutliche
Lesungen oder offenbare Verstösse aufweist, wurden
die später gedruckten Beschreibungen zur Erklärung
herangezogen. Eine systematische Vergleichung un-
serer Handschrift mit denselben wurde jedoch mit Ab-
sicht unterlassen, da sich eine solche in den Rahmen
der »Quellen zur Geschichte der kaiserlichen Haus-
sajnmlungen« nicht gut einfügen würde; nur erschien
es als zweckmässig, Ergänzungen aus Browns Reisen
beizugeben, um die Uebersicht über den Bestand der
Schatzkammer während der Jahre 1668—1685 Z" ver-
vollständigen.
F. 1.
KURTZE VERZEICHNUS
der vornehmbsten Stuck, so in Ihro kayserlichen Mayestät weltlich- und geistlichen Schatz-
Cammer zu Wien denckhwürdig zu sehen, welche deß Schatzmeisters eigener Erzehlung
nach unschäzlich undt also gezeiget worden Anno 1677.
Ihro Römisch kayserlichen Mayestät weltliche Schatz-Cammer betreffendt.
Der Eingang ist bey dem Hoff-Ballhause, da, wann
man hinein kommt auf der lincken Hand hinauff eine
kleine Thür den Auffgang öffnet, durch welche man
eine Treppen hoch hinauff gehet und kommt in einen
Saal, 62 Schritt lang und 17 Schritt breit, deßen Fenster
in den Burggarten hineingehen, in welchem an der
Mauer neben einander stehen i3 schöne schwarze ge-
baizste Kästen oder Schrancken, mit allerhand Mallerey
untermänget und geziert, unter welchem, von der rechten
Seithen des Eingangs oben an gerechnet:
Der Erste besetzt ist mit allerhand von Helffen-
bein, Rinocerot-Horn (sie), Einhorn und Agatstein
künstlich gedrexelten Meisterstücken als: Pocalen,
Schalen, Becher, Kannen, Schiffen, Bildtnißer (sie) und
andere, worunter die vornehmsten Stuck geachtet wer-
den, wie folgt:
Ein groses Pocal, von einem Rinocerothorn ge-
drehet, dessen Deckel verguldt und von Silber, mit
2 Zähnen von einem Rinocerot.
Item eine grose aber ganz subtile von Helffenbein
ausgearbeite Gallee (Galeere).
Item eine Kanne von Helffenbein, darinnen von
einem Bildhauer sehr künstlich das Paradiß von allen
Thiern geschnitten.
Sonsten sind in diesem Kasten unterschiedliche
Kästlein von Agatstein.
Item eine kleine Kanne von Helffenbein, so der
jezigeKayserLeopoldus mit eigener Hand gedrehet, und
eine grösere, so der Kaiser Ferdinandus III. gedrehet.
Noch eine von den letzten verstorbenen Ertz-
herzogen Sigismundo von Inspruck.
Im untern Vach sind rothe gewachsene Corallen.'
2. — Der andere Schrank ist ingleichen wie der
erste mit allerhand aus Helffenbein gedrehten Ge-
schirren, als Schalen, grosen Bechern und Bildern, an-
gefüllt und wird vornehmlich darinn gezeiget:
Ein hohes Pocal, aus einem Helephanten-Zahn
gedrehet, dessen Corpus auff einen Helephanten ruhet,
so ein Herzog von Sachsen gemacht haben solle.
Eine hohe Sphoera aus einem unzergänzsten Stuckh
mit einen kleinen Löchlein, worinnen ein Wild2 ge-
macht.
1 Brown erwähnt aus dem ersten Kasten noch: Sehr artige
Trinck-Geschirr von Agtstein, Leffel und Geschirre von Perle-
Mutter.
- 2 sie. — 1702, S.Si: mit einem kleinen Bildlein, worinnen
ein Bilde gemahlet. — K. 831: Eine Spha;ra oder Himmelskugel,
in welcher eine kleine Statua, worein noch ein Bildniss ge-
mahlet, stehet.