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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Kallab, Wolfgang: Die toskanische Landschaftsmalerei im XIV. und XV. Jahrhundert, ihre Entstehung und Entwicklung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0008
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Die toscanische Landschaftsmalerei im XIV. und XV. Jahrhundert, ihre Entstehung und Entwicklung.

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Rosenwolken steht und in ehrfürchtigem Staunen zu dem Regenbogen, dem Zeichen des Herrn, hinauf-
blickt (Taf. 5), oder dort, wo Jakob nach dem nächtlichen Ringkampf mit dem Engel nachdenklich der
aufgehenden Sonne entgegenschreitet, deren feuriger Widerschein das graue Gefelse und die grünen
Kronen der Bäume erleuchtet (Taf. 24), sind die atmosphärischen Erscheinungen Träger der Stimmung.
Das Heroische, Pathetische liegt den Malern der Genesis überhaupt fern; hebt sich der Ton der Er-
zählung, werden die Gestalten erregter, kommen Gefühle zum Ausdruck, so fehlen die Landschaften.
Sie stellen sich als Umrahmungen genreartiger Darstellungen, wie auf den bald enger, bald loser mit
dem Texte verknüpften bukolischen Scenen, ein (Taf. 17—20, 26, 3o). Wenige typische Züge, ein
Rasenabhang, ein paar blühende Stauden, ein Baum, müssen genügen, um den Beschauer in den Kreis
von Vorstellungen und Stimmungen zu versetzen, den die römischen Dichter von Vergil bis Claudian
und Ausonius zu besingen nicht müde wurden.

Zuweilen geht doch ein Zug frischer Erfindung durch die Hintergrundslandschaften. Aus den
dürftigen Andeutungen des Textes wachsen kleine Bildchen hervor, geläufige Motive stellen sich als
Füllung ein; die Scenen eines Abschnittes, die auf einem Blatte zu vereinigen waren, werden vor einer
Landschaft so verbunden, dass sowohl ihr Zusammenhang als auch der Wechsel des Locals erkennbar
bleibt. Wenn die Schrift z. B. erwähnt, dass Jakob die Götzenbilder und die Geschmeide unter der
Eiche bei Sichern vergräbt oder dass Deborah bei Bethel stirbt, so erscheint in beiden Fällen auf einem
hohen felsigen Hügel in der Ferne eine Stadt, deren weisse Mauern sich hell von den dunklen Kronen
der nahen Bäume abheben. Gen. 39, 20 ff. berichtet nur, das Josef in das Gefängnis gelegt wurde, und
weiss nichts über dessen Gestalt. Auf dem Bilde (Taf. 33) ist es ein umfriedeter Hof, über dessen
Mauer dichtes blühendes Gebüsch und ein weisses Haus mit flachem Dache emporragen; an der einen
Ecke erhebt sich wie ein Wegzeichen eine Sonnenuhr; eine Frau scheint den Wärter um die Strasse
zu befragen. Noch ausführlicher wird das Local auf dem Mahle des Pharao (Taf. 34) geschildert; auf
einer hohen Terrasse vor dem Palaste, dessen unterstes Stockwerk im Hintergrunde aufsteigt, ist die
Tafel aufgerichtet; eine Treppe führt zwischen Bäumen und üppigem Gebüsch auf einen geräumigen
Hof, den ein ferner Hügel abschliesst. Auf den Blättern mit continuirender Darstellungsart ergänzt
der Maler zuweilen die Erzählung auf geistreiche Weise durch die Landschaft, indem er im Bilde die
Gegend zeigt, durch die seine Gestalten gezogen sind oder die sie noch zu durchmessen haben. Deutlich
kann man beobachten, wie ein Motiv, das der Text flüchtig erwähnt, die Erinnerung an verwandte
wachruft, bis sich aus Reihen derselben die nicht immer einheitlichen Hintergründe gestalten. So wird
z.B. Gen. 35, 14fr. erzählt, dass Jakob mit seinen Leuten von Bethel zogen. Eines Feldweges von
Ephrath stirbt Rahel an der Geburt Benjamins und Jakob errichtet ein Mal über ihrem Grabe. Auf dem
Bilde (Taf. 26; vgl. Fig. 1) sehen wir die ganze Landschaft, in der sich die Begebenheiten abspielen. Links
im Hintergrunde breitet sich grünes Hügelland aus; eine Strasse führt an einem Hause (Bethel?) vorbei
zwischen weidenden Heerden auf die Gruppe der Männer und Frauen zu, die um die sterbende Mutter
klagen. Rechts entfernt sich der Zug mit dem Leichnam nach dem Grabbau zu. Ein anderes Beispiel
aus der Geschichte Josefs: Josef wird von seinem Vater zu den Brüdern gesendet, die ihre Heerden bei
Sichern weiden (Gen. 37, i3). Er findet sie aber dort nicht, weil sie unterdess nach Dothan gezogen
sind. Auf fol. XV (Taf. 3o) steht er links im Vordergrunde im Gespräche mit dem Manne, der ihn
über den rechten Weg belehrt. Eine Hügelkette breitet sich vor ihnen aus, auf deren fernem Kamm
der kleine Bote als winziges Figürchen hinter einem Abhang auftaucht, der Thalmulde eifrig zu-
schreitend, in der die Brüder lagern.

Genug der Beispiele! Sie beweisen, dass das Augenmerk der Maler nicht ausschliesslich auf die
Erzählung gerichtet ist. Die geringfügigen Andeutungen des Textes werden hervorgesucht, um das
localbezeichnende Beiwerk zu kleinen Landschaften zu erweitern. Die Kraft zu selbstständiger Erfindung
ist noch nicht versiegt, die Motive sind lebendig erfasst, die Gesammtwirkung bleibt trotz der skizzen-
haften Behandlung gewahrt.

Ein anderes Bild gewinnt man, sobald man die Landschaften unabhängig vom Texte miteinander
vergleicht und die Einzelheiten prüft, aus denen sie zusammengesetzt sind. Die Formen des Bodens,

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