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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Kallab, Wolfgang: Die toskanische Landschaftsmalerei im XIV. und XV. Jahrhundert, ihre Entstehung und Entwicklung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0031
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26

Wolfgang Kallab.

Eine Gruppe von Architekturen1 lässt sich weder als Abbildung noch als Andeutung bestimmter
Bauten begreifen. Einzelne scheinen aus dicken hölzernen Planken und Bohlen zusammengezimmert;
ihre Thüren und Fensteröffnungen sind so gross, dass die Wände zu schmächtigen Pfeilern und Quer-
leisten zusammenschrumpfen; andere bestehen überhaupt nur aus Durchgängen und Portalen, die mit
Baldachinen, halbmannshohen Vormauern, Schutzdächern auf weit vorkragenden Consolen seltsam
genug ausgestattet sind. Zuweilen fehlen selbst diese; offene Mauernischen werden mit Säulen verbun-
den, ohne dass man den Sinn dieser Bauten zu errathen vermöchte. Rein decorative Erzeugnisse einer

barbarischen Phantasie sind die Hintergründe auf
den Mosaiken der Georgskirche zu Salonichi, die
man bis in die Zeit Gonstantins verlegt hat.2 Die
Mitte nimmt eine Apsis, ein reichausgestattetes
Portal ein; darüber bauen sich luftige Säulen-
stellungen auf; runde oder gebrochene Giebel,
die auf säulengestützten Lauben ruhen, folgen.
Von dem Mittelbau springen Paare von Flügeln
vor, lange Gänge, die in Portalen enden, über
welchen sich Pavillons mit kurzen Tonnengewöl-
ben aufthürmen. Diese phantastischen Architek-
turen sind in schweren, mit Ornamenten über-
ladenen Formen aufgeführt; allenthalben hängen
Kronen oder Ampeln auf langen Ketten herab,
Vorhänge wehen, unförmliche Vasen ruhen auf
den Plattformen, Märchenvögel stolziren auf den
Giebeln.

Deutlich erkennt man an diesen Prachtcou-
lissen den Anschluss an Werke wie die pompejani-
schen Scheinarchitekturen. Alle Decorations-
glieder der classischen Kunst sind hier ohne
Rücksicht auf ihre innere Bedeutung zu Schau-
stücken verarbeitet. Aehnliche Bauten machen
Fig. i3. Mosaik aus der Mone tes Choras in Constantinopel. sjcn aucn auf den Miniaturen breit:3 die Aus-
stattung ist weniger üppig, der Aufbau nicht
minder sinnlos. Ueber einem Stockwerke von Arcaden erheben sich Häuserfronten, mitten aus den
Mauern wachsen stattliche Bäume hervor, Draperien schlingen sich von Stock zu Stock oder stellen
luftige Brücken zwischen Bäumen und Gebäuden her. Sieht man schärfer zu, so entdeckt man auch an
den realistischen Architekturen sowohl ihre Herkunft aus der altchristlichen Kunst als auch die lediglich
decorative Bestimmung. Die Motive, die der Wirklichkeit entnommen zu sein scheinen, sind, mit Aus-
nahme der Kuppelkirchen, ebenso wie jene Gebäude, die nur aus einem Gerüst von Thüren- und Fenster-
gewänden bestehen, auf altchristlichen Mosaiken vorgebildet. So treffen wir auch hier auf überliefertes
Gut, das nur durch die willkürliche Composition, die decorative Verwendung ein fremdartiges Ansehen
erhält. Dem byzantinischen Maler kommt es nicht auf Naturtreue oder Wahrhaftigkeit an; er schafft
für seine Figuren einen möglichst bunten, formenreichen Hintergrund. Ornamente bedecken die Wände
der Häuser, die rosenroth, blau oder gelb bemalt sind.

1 Mosaiken der Mone tes Choras; (Fig. l3, 14); vgl. unsere Taf. I. Gregor von Nazianz: Paris, Bibl. nat., Nr. 510:
Abb. bei Rohault de Fleury, L'evangile und La Sainte-Vierge.

2 Texier et Pullan, Byzantine Architecture, pl. 3o—33. Woltmann, Geschichte der Malerei I, 176, rückt sie in die
Zeit Justinians hinauf. Der Vergleich mit den Miniaturen rechtfertigt aber eine weit spätere Ansetzung. Vgl. auch die Mosaiken
der Geburtskirche zu Bethlehem bei de Vogüe", Les eglises de la Terre-Sainte, pl. 3 f.

3 Vatican. Menologium, Psalter der Marciana. Vgl. unsere Taf. II, 2.
 
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