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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Kallab, Wolfgang: Die toskanische Landschaftsmalerei im XIV. und XV. Jahrhundert, ihre Entstehung und Entwicklung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0042
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Die toscanische Landschaftsmalerei im XIV. und XV. Jahrhundert, ihre Entstehung und Entwicklung.

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das die Entdeckung Brunellescos löste, war hier schon gestellt. Die willkürliche Spielerei mit Ver-
kürzungen, die sich in der byzantinischen und frühitalienischen Kunst breitmachte, weicht der plan-
mässigen Beherrschung des Raumes.

Die Klärung der Raumvorstellungen, welche sich an der Hand der Linearperspective zunächst in
der Architekturmalerei vollzog, kommt auch den Landschaften zu Gute; auch in dieser Entwicklung
bilden die überlieferten Formen den Ausgangspunkt.

Die traditionelle Darstellung des Gebirges umgeht die Wiedergabe der dritten Dimension als
Ebene. Die Abhänge werden in Stufen und kleinere Treppen zerlegt, von welchen keine wagrecht ver-

Fig. 22. Agnolo Gaddi, Aus den Fresken der Chorkapelle von Santa Croce zu Florenz.

läuft. Jede nach der Tiefe führende Gerade und Fläche bewegt sich zugleich in der Richtung von unten
nach oben. Die Raumwerthe erscheinen so grösser, als sie thatsächlich sind; es ergibt sich ein anderes
Bild vom Räume, wenn man den vom Maler gezogenen Linien folgt, als wenn man selbständig, etwa
mit Hilfe einer Ueberschneidung, ein Maass der Tiefe zu gewinnen sucht. Dazu kommt noch, dass das
Maass der Neigung jener Stufen, weil der Horizont fehlt, nicht bestimmt ist. Beide Momente rufen eine
Unsicherheit in der Grössenschätzung, ein Schwanken der Raumwerthe hervor, das wächst, in je mehr
Stufen die Abhänge der Gebirge gegliedert sind.1 Diesen Schwierigkeiten suchte man auf zwei Wegen
abzuhelfen: man Hess jene Stufung überhaupt weg, begab sich aber damit des einzigen Mittels, die
Tiefe der Landschaft zum Ausdrucke zu bringen,2 oder man führte sie auf eine möglichst einfache Ge-
stalt, die drei Gründe zurück, deren Entwicklung durch den Meister der Hiobsbilder im Camposanto
zu Pisa und Agnolo Gaddi mit einer steten Zunahme der Raumtiefe verbunden ist und in der Einfüh-
rung der Ebene gipfelt.

Die Byzantiner kennen nur den engen Bodenstreifen für die Figuren und die angeschobene Ge-
birgscoulisse. Auch für Duccio und Giotto gibt es nur zwei Gründe. Die Gebirge rücken dicht an die

1 Vgl. z. B. die Landschaft auf dem Einsiedlerleben (Camposanto zu Pisa), Fig. 29.

2 So auf den Hintergründen des Lebens Christi im rechten Querschiff der Unterkirche von San Francesco zu Assisi,
bei Giovanni da Milano (Capella Rinuccini in Santa Croce zu Florenz) u. s. f. Siehe unten, S. 41.
 
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