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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Kallab, Wolfgang: Die toskanische Landschaftsmalerei im XIV. und XV. Jahrhundert, ihre Entstehung und Entwicklung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0071
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Wolfgang Kailab.

aus, als wären sie in eine dünne Metallplatte getrieben. Gozzolis Felsen gleichen denen auf Ghibertis
»Porta al paradiso«. Wie der Reliefplastiker die einzelnen Formen tief unterholt, um durch die
Schattenwirkung die mangelnde Tiefe zu ersetzen, so wechseln bei dem Maler dünne, geschweifte Grate
und Felsbrücken mit tiefen, ausgewitterten Höhlungen.

Die Vegetation wird selbst von den Naturalisten stiefmütterlich behandelt und ihre Verbindung mit

den Bodenformen gelingt nur auf
den aus der Ferne beobachteten
Motiven, während auf den Par-
tien des Vordergrundes die alte
Trennung, wie sie sich auf den
Felslandschaften desTrecento fin-
det,1 fortbesteht. Schon die Aus-
wahl der Gattungen ist be-
schränkt; ausser den Ilex-Anen
bei Piero dei Franceschi (»Taufe
Christi«, Fresken von Arezzo)
und den Oelbäumen bei Ucello
(»Reiterschlacht«, Uffizien) und
Fra Filippo (»Madonna«, Akade-
mie zu Florenz) treten auf den
Landschaften aus der ersten Hälfte
des XV. Jahrhunderts nur immer-
grüne Gewächse auf. Manche der
Baumfamilien, wie die Orange,
waren damals in Italien über-
haupt noch wenig bekannt2 oder
konnten, wie die Lorbeerbäume,
die Zwerg- und Edelpalme, als
hohe Einzelbäume in Toscana
nicht fortkommen,3 so dass sie
die Maler nur in Gärten zu stu-
diren vermochten. Während sich
die Zahl der dargestellten Arten
vermehrt, hat sich die Auffassung
der Pflanzen gegenüber dem Tre-
cento wenig geändert. Wohl

werden Gattungsunterschiede durch die Form der Blätter und die Gruppirung der Zweige aber nie
durch das Colorit angedeutet; nach wie vor werden typische Details zum Schaden der Gesammtwir-
kung betont und die Formen der Baumkronen auf einfache, ständige Umrisse gebracht und selbst
bei Naturalisten, wie Baldovinetti4 oder Verrocchio,5 begegnen wir völlig schematischen Palmen. Die
Wälder des Fra Filippo und des Gozzoli6 sind wie bei Agnolo Gaddi aus regelmässigen Reihen ein-
zelner gleicher Bäume zusammengesetzt. Der Grasboden im Vordergrunde wird noch von Lorenzo di

Fig. 37. Mantegna, Kreuzabnahme.
(Kupferstich.)

1 Vgl. oben, S. 40 und 50.

2 Nach Grisebach, Vegetation der Erde I, S. 277, der Gallesios, Traite du Citrus, folgt, stammen sichere Nachrichten,
dass die süsse Orange (Citrus Aurantium dulcis) in Spanien und Italien gebaut wurde, erst aus dem Anfang des XVI. Jahr-
hunderts. Vgl. Ferd. Cohn, Die Pflanzen in der bildenden Kunst, Deutsche Rundschau XXV, S. 55—68.

3 Grisebach I, 277 f.; 3o6.

4 Vasari II, 596, spendet besonders der Epheuranke auf der Geburt Christi (Fig. 3i) überschwengliches Lob.

5 Taufe Christi.

6 Fra Filippo: Madonna, Berlin, kgl. Museen, Nr. 69. Gozzoli: Fresken der Capeila Riccardi; vgl. Taf. IX.
 
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