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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Kallab, Wolfgang: Die toskanische Landschaftsmalerei im XIV. und XV. Jahrhundert, ihre Entstehung und Entwicklung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0072
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Die toscanische Landschaftsmalerei im XIV. und XV. Jahrhundert, ihre Entstehung und Entwicklung.

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Credi in der conventionellen Weise des Trecento ausgeführt, indem die einzelnen schematisch ge-
zeichneten Blümchen und Grasbüschel ohne jede perspectivische Verkürzung auf einem dunkelgrünen
Grunde wie Teppichmuster reihenweise übereinandergeordnet werden.1 Naturalistische Blumen finden
sich ausser bei Gentile da Fabriano2 nur bei Meistern, deren Thätigkeit in das letzte Viertel des Jahr-
hunderts fällt.

Die Stadtansichten gehören zu den ältesten Motiven der Tradition. Während sie bis zum

XIV. Jahrhundert die abgekürzte Form behalten hatten, beginnt man im Trecento an Stelle der schema-
tischen Typen entweder Abbildungen wirklicher Städte oder phantastische Bauten zu setzen. Im

XV. Jahrhundert gewinnt der realistische Stadtprospect das Uebergewicht.

Wir haben den Kreis der Motive durchmessen, mit denen die toscanische Landschaftsmalerei
bis weit über die Mitte des XV. Jahrhunderts arbeitete. Als Anhang sind noch jene kleinen Land-
schaftsausschnitte zu erwähnen, die an untergeordneten Stellen der Bilder, in einem Spalt zwischen
den Gebäuden oder über den Köpfen der Personen angebracht werden und den Blick des Beschauers
aus der Enge der vorderen Gründe ins Grüne und den unbegrenzten Raum entlassen. Nur wenige
Beispiele seien angeführt.

»Madonna und die Heiligen sind von einer Steinbank oder Balustrade umgeben, welche etwa
auch schlanke Pfeiler mit einem oberen Gebälk trägt, und auf Balustrade oder Gebälk sieht man oft
Gefässe mit Pflanzen; es bleibt der freie Ausblick in eine Landschaft oder in die dichten Lauben eines
Gartens, von welchem hier vorne ein besonderer Theil wie durch Marmorschranken abgetrennt er-
scheint. Abgesehen von dem Schönheitswerthe dieser Form, mag auch auf eines der oft dargestellten
Mariensymbole angespielt sein: die Mutter Gottes ist unter Anderem hortus conclusus. Ein Bild wie
der schöne Sandro Botticelli des Museums von Berlin, Madonna mit Johannes dem Täufer und dem im
hohen Greisenalter dargestellten Johannes dem Evangelisten vor dichten Lauben lässt in Betreff dieser
Andeutung kaum einen Zweifel übrig und auch der Lorenzo di Credi im Dome von Pistoja . . . wird
am besten auf diese Weise zu erklären sein.« 3

Das Motiv wird von den erzählenden Fresken, wo es schon im vorigen Jahrhundert auftritt, auf
Altarbilder übertragen. Die thronende Madonna von Domenico Veneziano aus Santa Lucia de' Bardi
wird zu den frühesten Beispielen zählen. Die ganze Vielgestaltigkeit der Landschaftsmalerei in der
ersten Hälfte des Jahrhunderts spiegelt sich in den kleinen Landschaftsausschnitten, die zwischen und
ober den Gestalten auftauchen. Fiesole4 wahrt der Madonna einen getäfelten Boden und gibt erst über
der niedrigen Brustwehr den Durchblick durch ein hochstämmiges Wäldchen auf ferne, in Licht
getauchte Höhenzüge. Baldovinetti5 setzt sie auf eine blumige Wiese, Gozzoli6 auf einem Haus-
andachtsbilde (Taf. IX) gar mitten in das Waldesdickicht. Hieher gehören endlich die zahlreichen
Madonnen im Rosenhag, deren Botticelli und verwandte Meister7 eine grosse Anzahl geschaffen haben.

Eine andere Gruppe bilden die Ausblicke aus offenen Fenstern, Thüren oder Säulenstellungen in
die freie Landschaft. Nach dem Dunkel und der Enge der Innenräume befreit die Lichte und Weite. 8
Auf den Madonnen des Fra Filippo9 bleibt von dem Innenraume nur das Fenster, durch das man in
eine reiche Landschaft mit hohem Horizonte blickt, die den Rahmen fast ganz füllt. Für Botti-

1 Baldovinetti: Madonna mit sechs Heiligen; Verkündigung, Uffizien. Sogenannter Leonardo da Vinci: Verkündigung,
Uffizien.

2 An den Rahmeneinsätzen zu seiner Anbetung der Könige in der Akademie zu Florenz.

3 Burckhardt, Beiträge zur Kunstgeschichte Italiens, S. 35.

4 Florenz, Akademie, Nr. 281 (stark verdorben).

5 Madonna mit Heiligen in den Uffizien.

6 Wien, kaiserl. Gemäldegallerie, Nr. 26.

' Botticelli: Berlin, kgl. Museen, Nr. 102 (Schule Botticellis); Uffizien, Nr. i3o3 (Morelli, Die Gallerie Borghese,
S. 107); Gallerie Pitti, Nr. 348 (Morelli, ebenda, S. 108); Paris, Louvre; London, National-Gallerie. Das reizendste im Pa-
laste Pitti, ehemals Filippino Lippi benannt, nach Schmarsow von Botticini.

8 Fra Angelico auf den Fresken von San Marco und der Nicolauskapelle im Vatican.

» Uffizien; München, Pinakothek.

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