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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Kallab, Wolfgang: Die toskanische Landschaftsmalerei im XIV. und XV. Jahrhundert, ihre Entstehung und Entwicklung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0085
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8o

Wolfgang Kallab.

lichten veilchenblauen Ton über, während rothviolette und gelbliche Abendwölkchen auf der hohen
Luft daherschweben.

Perugino empfand die Fesseln nicht, die der Landschaftsmalerei durch die Verbindung mit dem
Andachts- oder Geschichtsbilde auferlegt waren; er sah in der äusseren und inneren Durchdringung
von Landschaft und Figuren das vornehmste Problem seiner Kunst. In der Raumdarstellung steigert
er das alte Schema mit dem hohen Vordergrunde, der die ferne Landschaft überschneidet, zu ungeahnter
Wirkung. Die luftigen Gewölbe,1 die auf wohlgestalteten Pfeilern ruhen, empfangen den in die

weite Landschaft hinaus-
strebenden Blick des Be-
schauers und erfüllen ihn
mit ihren harmonischen
Linien und Verhältnissen.
Innen gedämpftes Licht,
das sich zu dunklen,
von wenigen Reflexen
durchdrungenen Schat-
ten am Gewölbe verdich-
tet, draussen die kühle,
klare Helle im Bereich
der hohen Luft über der
Landschaft, das dämmern-
de Abenddunkel, von den
wenigen blitzenden Strah-
len durchlichtet, die der
Abendschein am westli-
chen Horizonte zurück-
wirft. Die kaum sicht-
baren Wellen des Bodens,
der in lichtem Dunstglanz
gelöste Horizont, der
Himmel, der sich wie eine
durchsichtige Kugel über
ihnen wölbt, sind nur
die äussersten sichtbaren
Fig. 46. Perugino, Madonna mit Heiligen, Uffizien. Grenzen des unermess-

(Nach Photographie von Alinari.) ylchen Raurnes, der sich

weit über sie auszudeh-
nen scheint. Die Landschaft ist von kleinlichem Gerüst perspectivischer Linien frei und lediglich die
Phantasie des Beschauers vollzieht jene gewaltige Grössensteigerung, die rein zeichnerischen Mitteln
nie zugänglich werden kann.

Die Stimmung der Landschaften Peruginos entspricht weniger dem jeweilig darzustellenden
Gegenstande sondern hat ihr rechtes Gegenbild in dem allen Gestalten des Malers eigenthümlichen
Gehaben. Sie haben ein Wohlgefallen an ihrer leisen Trauer, sie geniessen fast schwelgerisch die
Erregung, die sie durchzittert. Ihre Aufmerksamkeit ist ganz nach innen gerichtet; keine Störung von
aussen, keine heftige oder gewaltsame Bewegung, die herrisch in das Auf- und Abschwanken des eige-
nen Gefühlsstromes eingriffe. Diese Stimmung prägt sich auch in der Landschaft aus, in ihren sanft-

1 Madonna mit Heiligen, Uffizien (Fig. 46) und Vaticanische Gallerie; Vision des heil. Bernhard, München. In ähnlichem
Sinne wie die kreuzgewölbten, stets symmetrisch verkürzten Hallen verwendet Perugino die plastisch vortretende Umrahmung
mit dem halbrunden Abschluss auf der Kreuzigung in Santa Maria Maddalena ai Pazzi und auf den meisten anderen Tafelbildern.
 
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