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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Kallab, Wolfgang: Die toskanische Landschaftsmalerei im XIV. und XV. Jahrhundert, ihre Entstehung und Entwicklung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0093
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88

Wolfgang Kailab.

und Helligkeiten der Berge (delle ombrositä et chiarezze de monti) 1 hinzu
und die Beobachtungen über die unzähligen Einzelfälle der Licht- und
Luftperspective durchziehen alle Bücher. So kommt es, dass Leo-
nardo Motive beobachtet und auf ihre Darstellungsfähigkeit
prüft, die in der Malerei seiner Zeit gar nicht oder äusserst
selten vorkommen, wie das Schneegebirge, die Nacht,
Unwetter und Regen, die wellenschlagende See
oder das Licht des durch Wolken verhüllten Mon-
des.2 Dafür zeigt sich in der Aufmerksamkeit,
mit der er die Phänomene des Sonnenunter-
ganges zergliedert,3 die Vorliebe für das Mo-
tiv, das seine Zeitgenossen in mannigfacher
Weise zu behandeln verstanden. Welch'
tiefes Naturgefühl ihn bei allen seinen
Forschungen beseelte, davon gibt der
rührende Ausruf Zeugnis, der mitten
unter den rein sachlichen Notizen steht:
»Che ti move, o homo, ad abbandonare
le proprie tue abitationi della cittä,
lasciare Ii parenti et amice et andare in
lochi campestri, per monti e valli se
non la naturale bellezza del mondo!« 4
Nur lombardische Maler haben den
Einfluss Leonardos in der Landschafts-
malerei erfahren. Die Florentiner blei-
ben dem Naturalismus und ihrer künst-
lerischen Vergangenheit treu. Neue Mo-
tive treten nicht mehr auf und in dem
Kreise des Fra Bartolommeo und An-
drea del Sarto verspürt man schon die
Einwirkungen der neuen römischen
Kunst; das Interesse für die Landschaft nimmt ab. Neben den Nachzüglern älterer Richtungen, wie
Lorenzo di Credi, und den Künstlern, die in der Nachahmung der umbrischen Malerei befangen sind,
beherrschen die Landschaften des Piero di Cosimo die Schöpfungen der letzten Generationen des
Quattrocento.

Lorenzo di Credi steht als Landschaftsmaler für sich allein. Seine Motive sind weder neu noch be-
sonders originell. Das erste, dessen sich die florentinische Landschaftsmalerei bemächtigt hatte, das des
Flussthaies, nimmt er wieder auf und wird nicht müde, es in immer neuen Wendungen zu wiederholen.
Im Vordergrunde die blumige Wiese, ein Bach, der sich zwischen begrasten Böschungen dahinschlängelt,
allenthalben in den Niederungen kugelrunde Weidenbüsche, zuweilen eine Stadt, seitlings ein Hügel
mit ein paar dünnbelaubten Bäumen, den eine Strasse hinanführt, das ist der ganze Apparat seiner
Landschaften, die bald in freier Entfaltung, bald als Durch- oder Ausblick aus Fenstern, aus einem
Gemäuer erscheinen. Aber das schlichte Naturgefühl des Malers, der genügsam und mit der gleichen
Sorgfalt der Beobachtung zu demselben Stückchen Natur zurückkehrt, verleiht ihnen Leben und Seele.

Fig. 51. Andrea del Sarto, Landschaft aus den Fresken
in SS"m Annunziata zu Florenz.

1 II, p. 192 f.

2 Schneegebirge: 1, p. 272, Nr. 250; cf. II, p. 206, Nr. 800f. — Nacht: I, p. 186, Nr. 146. — Unwetter: I, p. 186, Nr. 147;
I, p. 492 f., Nr. 502—504. — Seesturm: I, p. 262, Nr. 237; I, p. 188, Nr. 147. — Mondschein: II, p. 326, Nr. 934.

3 I, p. 464 fr., Nr. 474, 477 b, 478, 479; II, p. 282, Nr. 883; II, p. 322, Nr. 427.

4 1, p. 44, Nr. 23 i. f.
 
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