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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Graeven, Hans: Typen der Wiener Genesis auf byzantinischen Elfenbein-Reliefs
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0111
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io6

Hans Graeven.

beobachtet haben, ein unverstandenes Ueberbleibsel jenes Kleidungsstückes sind, das zum Schutze gegen
die Witterung über dem Chiton getragen wurde.

Da das Costüm der Relieffiguren für Kain und Abel, für Adam und Eva bedeutungsvoll, dagegen
für Krieger wie Josua und seine Leute nicht üblich ist, müssen wir annehmen, dass die byzantinischen
Künstler durch die häufige Darstellung der ersten Menschen dazu verführt worden sind, deren Tracht
auch für andere Personen zu verwenden. Das Bologneser Relief steht in dieser Beziehung nicht allein.

Dank der Liebenswürdigkeit des Freiherrn von Oppenheim in Köln kann ich an dieser Stelle
ein Elfenbeinplättchen seiner Sammlung neu publiciren,rdas die Hinrichtung eines bärtigen Mannes dar-
stellt (Fig. 14). Er steht nach links mit vorgebeugtem Oberkörper in der Erwartung des Todesstreiches;
sein Henker, ein unbärtiger junger Mann, macht einen Schritt nach rechts, den Kopf wendend, und

erhebt mit der Rechten ein gewaltiges Schwert, wäh-
rend seine Linke die Schwertscheide hält, von der
ein Tragriemen zur Schulter läuft. Die Nimbuslosig-
keit des Hingerichteten verbietet, an einen Märtyrer
zu denken; die Erklärung des Reliefs wird uns wieder
durch Miniaturen zum Buche Josua vermittelt, und
zwar durch eine Illustration des XI. Capitels. In
diesem wird erzählt, wie der König Azors alle benach-
barten Herrscher zu gemeinsamen Widerstand gegen
Israel auffordert, so dass die Menge der Feinde, die
gegen Josua auszog, »war wie der Sand am Meere«;
aber Gott gab seinem auserwählten Volke den Sieg.
Nach der Schlacht nehmen die Sieger Azor und alle
verbündeten Städte ein und machen die Könige zu
Gefangenen. Azor wird verbrannt, die Gefangenen
werden getödtet »mit der Schärfe des Schwertes«.2

Im vaticanischen Rotulus sind Illustrationen
zu diesem Theile der Erzählung nicht mehr vor-
handen aber die Oktateuche repräsentiren uns die
Typen der verlorenen Bilder. Ich habe zur Repro-
duction an dieser Stelle (Fig. 15) die betreffende Mi-
niatur des Vat. 747 gewählt, weil gerade er im Gegensatze zu den übrigen Oktateuchen ein Detail mit
dem Kölner Elfenbeinrelief gemein hat. Die Miniaturen zeigen sämmtlich in unserer Scene rechts drei
Krieger, die sich mit brennenden Fackeln der Stadt Azor nähern, um sie anzuzünden, und auf der
linken Bildseite den thronenden Josua, der die Hinrichtung der Könige beaufsichtigt. Im Bilde des
Vat. Graec. 747 sind bereits zwei Opfer gefallen. Die übrigen Oktateuche zeigen nur einen Leichnam,
der vor den Füssen Josuas liegt; den am weitesten rechts befindlichen König stellen sie noch lebend
dar. Die Mitte aller Bilder führt just die Vollziehung des Todesurtheils vor, ganz analog dem Relief.
Der Henker ist jedoch in den Miniaturen durch den Panzer und den Helm als Krieger gekenn-
zeichnet; nur der Vat. 747 hat auch hier den Helm fortgelassen. Er allein gibt dem Krieger in die
linke Hand den Schild, der in dieser Scene wenig am Platze ist; die übrigen Oktateuche gleichwie
das Relief lassen den Henker mit der Linken die Schwertscheide halten. In denselben Oktateuchen
erscheint der hinzurichtende König in Vorderansicht; das rechte Bein ist vorgesetzt, die Arme sind
nach hinten gebogen. Im Vat. 747 ist das linke Bein vorgesetzt und wir sehen den Rücken des
Mannes mit den zusammengebundenen Händen. Der Elfenbeinschnitzer hat das Gleiche darstellen

Fig. 15. Miniatur des Vat. Graec. 747.

1 Eine frühere Abbildung bei Molinier, a. a. O., Taf. IX bis, 3.

2 Jos. 11, 12: xai roxaa? rä; raXets xcov ßaaiXlwv toukdv xat ratvra; 10115 ßaaiXs?; aürwv Äaßsv 'Irjaoik xat ävetXev aOrou; h
 
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