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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0131
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Hermann Julius Hermann.

crucis de Ferrara, scripsit MCCCLXXXV« findet, ist es zweifelhaft, ob auch die Miniatoren Ferraresen
waren. Nach den Darstellungen der Monatsbeschäftigungen im Kalendar folgen ungewöhnlicher-
weise die VII gaudia als Miniaturen zu den Fforae beatae Mariae virginis; darnach folgt vor dem
Officium mortuorum die Einsegnung eines Mönches in weisser Kutte, dann vor den Busspsalmen
eine interessante Darstellung der Beichte, umgeben von vier Allegorien von Sünden. Ihrem Stile nach
scheinen diese feinen Miniaturen auf ein florentinisches Vorbild zu deuten. Einer weitaus roheren
Hand gehören die Passionsbilder zum Officium sacratissimae crucis an, einer dritten, schon dem XV. Jahr-
hundert nahestehenden Hand die Initialbilder zu den
Psalmi graduales und den Anfängen der Evangelien.
Im Gegensatze zu dem florentinischen Charakter der
Miniaturen der ersten Hand stehen die beiden rohe-
ren Miniatoren dem bolognesischen Kunstkreise näher.
Jedenfalls lässt sich mit Sicherheit nur der Schreiber
als Ferrarese feststellen, auf den wohl auch das Vor-
kommen der beiden Stadtheiligen von Ferrara, St.
Georg und St. Maurelius, in der Litanei zurückzu-
führen ist. Immerhin ist es nicht ausgeschlossen,
dass die roheren Miniaturen einem Ferraresen an-
gehören, zumal sich ein wohl von demselben Bar-
tholomeus geschriebener Codex der »Statuti dell'
arte dei beccai« in der Biblioteca comunale zu
Ferrara (Classe I, Nr. 215) befindet. Voran geht
eine unter Niccolö III. entstandene Abschrift eines von
Zoane del Vescovo geschriebenen Privilegs aus dem
Jahre 1385; daran schliessen sich Privilegien mit auto-
graphen Unterschriften der Fürsten von Ercole I. bis
Alfonso II. und eine bis i3gi reichende Chronik. Am
Schlüsse (f. 16) findet sich der in Chiffrenschrift1 ge-
gebene Name des Schreibers:

Dpmnxs bbrthplpmfxs df sbnctb crxcf scrkpskt

hbnc crpnkcbm d. h.
Domnus Bartholomeus de sancta Cruce scripsit
hanc cronicam.

Nur das Titelblatt (f. 1) ziert eine Miniatur auf ultramarinblauem Grunde, die den Zunftvorsteher
(massaro dell' arte) mit den Statuten unter seinen Zunftgenossen darstellt, merkwürdig vor Allem durch
die Arbeitstracht der Fleischer; oben links der Auferstandene als Schutzpatron der Zunft. Stilistisch
tragt diese rohe Miniatur das Gepräge der bolognesischen Miniaturen dieser Zeit. Stilverwandt und auch
zeitlich nahestehend erscheinen die Miniaturen der Statuti dell' arte dei mastellari (Bötticher) in
der Biblioteca comunale zu Ferrara, ein signirtes Werk eines bisher unbekannten Miniators, dem viel-
leicht auch die vorgenannten Statuti dei beccai zuzuweisen sind. Die Handschrift enthält drei Minia-
Girardus. turen, unter denen aber nur die erste (f. 1') durch die Künstlersignatur »ego Girardus mini(avi)« von In-
teresse ist. Sie stellt den Schutzpatron der Bötticherzunft, St. Romanus, dar; über seine Rüstung trägt der
Heilige einen kurzen Schurz und ein rothes Mäntelchen, auf dem Kopfe eine graue Zipfelmütze (Fig. 3).
Ziemlich unbeholfen in der Zeichnung, flüchtig in der Durchbildung, erinnert die Miniatur an bolo-
gnesische Vorbilder. Die Unbeholfenheit des Miniators zeigen auch die anderen Miniaturen, so auf f. 2:

1 An Stelle der Vocale sind die nachfolgenden Consonanten gesetzt, und zwar: für a: b, für e: f, für i: k, für o: p,
für u: x.

Fig. 3. Girardus, St. Romanus, Miniatur in den Statuti
dell' arte dei mastellari.

(Biblioteca comunale zu Ferrara).
 
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