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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0137
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Hermann Julius Hermann.

Mit dieser Forderung der Wissenschaften geht sein Interesse für die Kunst Hand in Hand. Be-
wundernswerth ist vor Allem sein Sammeleifer; Gemmen, Medaillen, Münzen, aber auch Gemälde und
Sculpturen wurden erworben, so dassLeonello auch als der Begründer der reichen estensischen Samm-
lungen zu gelten hat. Ueberhaupt sorgte er für den Glanz seines Hofes. Durch seine erste Gemahlin
Margaretha Gonzaga (gestorben 1439) war er mit dem Hofe von Mantua in verwandtschaftliche Be-
ziehungen getreten und, als er 1446 Maria von Aragonien heiratete, Hess er in der Erkenntnis des
hohen Werthes seiner Verwandtschaft mit dem damals mächtigsten Herrscherhause Italiens auf eine
Medaille des Pisanello die Worte setzen: GE(ner) R(egis) A(ragoniae).

Sein Interesse wendete er vor Allem der Malerei zu. Als der vielbeschäftigtste Künstler am Hofe
erscheint wieder GuarinosLandsmann, Pisanello,1 der schon unter Niccolö III. (seit 1435) oft in Ferrara
weilte. Neben Medaillen führte er auch mehrere Bilder für Leonello aus. Das bekannte Portrait des
Marchese (Bergamo, Gallerie Morelli), das Bildnis der Margaretha Gonzaga (?) (im Louvre) sowie die
Madonna mit St. Antonius und St. Georg (London, Nationalgallerie), vermuthlich für Leonello gemalt,
gehören zu den reizendsten Schöpfungen des Meisters. 1444—1446 war auch Matteo de'Pasti mehr-
mals in Begleitung des Meisters in Ferrara und betheiligte sich an der Ausmalung des Breviariums,
das Giorgio Tedesco für Leonello ausführte. Pisanellos Aufenthalt war von ausserordentlicher Be-
deutung für das Kunstleben in Ferrara. Mit Stolz bezeichnete sich Bono Ferrarese als »Pisani disci-
pulus«. Auch Jacopo Bellini2 war in Ferrara für den Hof der Este thätig. Zwei grosse Künstler, die
auf den Stil der Schule von Ferrara bestimmenden Einfluss nehmen sollten, weilten 1449 in Ferrara:
Andrea Mantegna und Roger van der Weyden. Mantegna führte ein Portrait Leonellos aus, das
auf der Rückseite das Bildnis des Günstlings Folco di Villafora trug; Roger van der Weyden malte ein
Triptychon für das Studio des Leonello in Belfiore, dessen Mittelbild, eine Pietä, Crowe und Caval-
caselle in der bekannten Tafel der Uffizien wiedererkennen wollten. Der Aufenthalt so bedeutender
Künstler war für die ferraresische Malerei von fundamentaler Bedeutung. Pisanello, Mantegna und
Roger van der Weyden bilden denn auch neben Piero della Francesca, der unter Borso berufen wurde,
die stilbestimmenden Elemente der älteren ferraresischen Schule. Muss Leonello das Verdienst zuge-
sprochen werden, den Grund zu einer Blüthe der Malerei in Ferrara gelegt zu haben, so geht auch der
Anstoss zu einer regen Thätigkeit der Miniatoren auf Leonello zurück, der der Bibliothek sein beson-
deres Augenmerk zuwendete. Leonello bewies auch in der Wahl der Miniatoren, die er für seine Auf-
träge gewann, sein treffliches Kunstverständnis; unter Borso, zum Theil noch unter Ercole I. waren
einige der Miniatoren Leonellos für den Hof thätig und gehören zu den trefflichsten Künstlern ihrer
Zeit. Schon als jugendlicher Prinz, zu Lebzeiten seines Vaters, gab Leonello seiner Vorliebe für die
Miniaturmalerei in den zahlreichen Erwerbungen für die Bibliothek Ausdruck. Die toscanischen Meister
.Tacopino d'Arezzo und Giovanni Falconi arbeiteten für ihn und sein Bruder Meliaduse, der als päpst-
licher Protonotar in Florenz weilte, erwarb für ihn Handschriften für das Kloster Santa Maria degli
Angeli di Belfiore. Der hervorragendste Miniator im Dienste des Leonello war aber kein Florentiner
sondern ein Meister, der'seine Herkunft aus dem deutschen Norden herleitete, Giorgio Tedesco,
auch »Zorzo de Alemagna« genannt.
Giorgio Schon das hohe Ansehen, dessen sich Giorgio Tedesco am estensischen Hofe erfreute, lässt uns

Tedesco, aur sejne künstlerische Bedeutung schliessen; diese erhellt aber vor Allem daraus, dass er an den um-
genannt Giorgio ° ' '

d'Aiiemagna. fangreichsten und grössten Aufträgen betheiligt war. Trotz seines Namens ist es höchst unwahr-
scheinlich, dass Giorgio aus Deutschland eingewandert sei, da er selbst als der Sohn eines Alberto
d'Aiiemagna erscheint, der wohl aus Deutschland nach Italien gepilgert sein mag.3 Giorgio hatte eine

1 A. Venturi, II Pisanello a Ferrara, im Archivio Veneto XXX (1885), p. 4096°., und Archivio storico veronese i883.

2 A. Venturi, I primordi del rinaseimento artistico a Ferrara, a. a. O. G. Campori, I pittori degli Estensi nel secolo XV,
in den Atti e memorie delle RR. deputazioni di storia patria per le provincie modenesi e parmensi, ser. III, tom. III (1885).

3 Ich erinnere an einen ähnlichen Fall. In dem bekannten Brief an Marcantonio Michiel, den Anonymus des Morelli
(gedruckt von Emm. A. Cicogna im IX. Bande der Memorie dell' I. R. istituto veneto di scienze, p. 413 f.), erwähnt Pietro Sum-
monte von dem in Neapel hochgeschätzten Miniator Joan Tedeschino: »figliuoli di Tedesco, nacque in Lombardia e
 
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