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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0138
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Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara.

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Italienerin (darauf deutet ihr Name) Prisciana oder Parisina geheiratet, die ihm drei Söhne: Martino,
Niccolö, Sigismondo, und eine Tochter Paola gebar. Vermuthlich war Modena Giorgios Heimat,
da sein Sohn Martino stets Martino da Modena genannt wird. In den Dienst der Este getreten,
übersiedelte er nach Ferrara, wo ihm ein Zimmer im Castell zur Ausführung seiner Arbeiten ange-
wiesen wurde. 1462 wurde ihm, »qui arte sua profecto singularis opifex censeri potest«,1 das
Bürgerrecht von Ferrara verliehen; doch scheint er nicht, wie Campori vermuthet, ständig im Dienste
der Este geblieben sondern vielmehr in den Siebzigerjahren wieder nach Modena zurückgekehrt zu
sein, wo er 1473 bis 1476 an den Corali des Domes zu Modena arbeitete.2 Ende Februar oder An-
fangs März 1479 dürfte er gestorben sein, da in den Rechnungsbüchern von S. Petronio zu Bologna
in einer bisher nicht beachteten Zahlung vom 9. März sein Sohn »Martino quondam Georgii de
Mutina« genannt wird, während dieser in der vorhergehenden Zahlung vom 12. Februar als Mar-
tino Georgii de Mutina erscheint.3 Bedenkt man, dass Giorgio 1441, als er von Leonello berufen
wurde, doch schon ein geübterer Miniator gewesen sein muss, so dürfte seine Geburt etwa zwischen
1410 und 1420 anzusetzen sein. Jedenfalls nahm er unter den zahlreichen Künstlern nordischer Her-
kunft, die damals, wie allenthalben in Italien, auch in Ferrara thätig waren,4 eine bemerkenswerthe
Stellung ein.

Das bedeutendste Werk, welches Giorgio Tedesco ausführte — überhaupt das Hauptwerk der
Zeit des Marchese — war das Breviarium des Leonello, zu dessen Ausführung Leonello 1441 den Das Brevia-
Miniator heranzog, der sammt seinen Mitarbeitern bis 1448 an diesem Prachtwerke thätig war. Leider ™™e]1°9
ist dieses kostbarste Denkmal der Miniaturmalerei aus der Zeit Leonellos verschollen, sei es dass es schon
zur Zeit der Verlegung der Bibliothek nach Modena (1598) oder durch die Entführung der kostbarsten
Cimelien der Bibliothek nach Paris unter Napoleon verschwunden ist. Vielleicht fördert ein günstiger
Zufall den Codex noch einmal ans Tageslicht. Ueber die Herstellung des Breviariums sind wir ziem-
lich gut unterrichtet. Wir wissen, dass für die Ausschmückung jedes Quinternio 7 Lire 10 Soldi bezahlt
wurden, worüber Francesco da Codegoro Rechnung führte, und dass Zahlungen in der Zeit von 1441
bis 1448 geleistet wurden (vgl. Anhang, Nr. 17 und 18; Campori, a. a. O., Docum. V u. VI). Als ein Detail
sei erwähnt, dass der Dominikaner Fra Giacomo Panizato dem Giorgio für das Breviar Ultramarin lie-
ferte (vgl. Anhang, Nr. 20). Nach Campori (a. a. O., p. 248) betrugen die Gesammtkosten 542 Lire 18 Soldi
(= Francs 1675.35), eine für damals gewiss ansehnliche Summe. Auch über die Miniatoren des Brevia-
riums, das ein kostbarer carmoisinrother Sammtband mit vergoldeten Silberbeschlägen schmückte, er-
halten wir genaue Kunde. Die Oberleitung hatte Giorgio Tedesco inne; als Mitarbeiter standen ihm
zur Seite: Matteo de'Pasti, Guglielmo Giraldi und Magnanino. Von Matteo de'Pasti, dem Matteo
berühmten Medailleur und Schüler des Pisanello, berichtet eine Eintragung im Registro della Camera dc Past1-
1446, p. 123, dass er dreimal in der Angelegenheit des Breviars des »Zorzo« von Verona nach Ferrara

(1444_1446) kam und am 6. März 1446 35 Ducaten für die Miniaturen in 10 Quinternionen erhielt (vgl.

Anhang, Nr. 18). Es geht daraus hervor, dass Matteo de'Pasti in Verona an den Miniaturen arbeitete, zu
deren Ablieferung er offenbar nach Ferrara kam.5 Die Mithilfe eines so bedeutenden Künstlers wie de'

visse longo tempo in Napoli usque ad exitum vitae. Costui da principio tirava al lavoro di Fiandra, poi si donö tutto al-
l'imitazione delle opere di un Gasparo Romano, lo quäle andava al garbo antiquo, per la qual via il Tedeschino pervenne
in tanta sublimitä.«

1 Cittadella, Documenti cd illustrazioni etc... ., p. 172, und desselben Ricordi intorno alla vita di Cosimo Tura,
detto Cosme, Ferrara 1866, p. 21.

" Can. Ant. Dondi, Notizie storiche ed artistiche del duomo di Modena (1896), pag. 156.

3 Vgl. Luigi Frati, I corali della Basilica di S. Petronio in Bologna (1896), mandati 45 und 46.

* Vgl. Eugene Müntz, a) Les Artistes francais en Italic pendant le XVI0 siecle, in La chronique des arts et de la curiosite,
1883; b) Les Artistes flamands et allemands en Italie pendant le XV" siecle, in L'Art, XI annee, tome II (1885), tome XXXIX
de la collection; c) Gli artisti fiamminghi e tedeschi in Italia nel XV secolo, im Archivio storico dell' arte III (1890),
p. 401.

s Vgl. auch A. Venturi, Notizie sul soggiorno di Vittor Pisano alla Corte Estense e osservazioni sulla data fissata alla
sua morte, im Archivio storico veronese, vol. XIX (i883), p. 209 fr., und II Pisanello a Ferrara, im Archivio Veneto, tomo XXX
(1885), p. 409fr.

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