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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0140
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Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara.

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beklagen, so sind wir wenigstens in der Lage, uns über das Können des Giorgio Tedesco, des Marco
dell' Avogaro und des Guglielmo Giraldi aus den erhaltenen Miniaturen ein Bild zu machen. Leider
sind uns aber, wie es scheint, anderwärts keine Miniaturen von der Hand des Matteo de'Pasti erhalten.
Ich mochte deshalb auf die zu wenig beachteten Illustrationen einer Papierhandschrift der Biblioteca
Estense in Modena aufmerksam machen, deren Stil auf die Schule des Vittore Pisano weist. Der
Codex (Cod. lat. DCXCVII), »über Physiognomiae« genannt, enthält Prophezeiungen über den
Lebenslauf der unter jedem Thierkreiszeichen geborenen Personen männlichen und weiblichen Ge-
schlechtes. Besonderes Interesse beanspruchen die als Illustrationen beigegebenen leicht colorirten
Federzeichnungen. Ober dem Texte ist von p.V—XVI in einem Kreise je ein Zodiacuszeichen gesetzt,
mit dem unten eine Darstellung der Planeten in ihrem Einfluss auf die Lebensalter inhaltlich in Ver-
bindung gesetzt ist, freilich ohne directe Beziehung auf den Text. Da nun die Thierkreiszeichen als
Leitfaden dienen, mussten fünf der Planeten sich wiederholen; es sind dies Venus, Mercur, Mars,
Saturn und Jupiter, während Sol und Luna nur einmal vorkommen.

Diese kleinen Planetenbildchen gewinnen gegenständlich an Interesse durch ihren Zusammen-
hang mit einem Frescowerk ähnlichen In-
halts: den Fresken desGuariento (?) im Chor
der Eremitani zu Padua. Dadurch aber,
dass hier die Planeten den Lebensaltern
als Leitfaden folgend angeordnet sind, in
dem Codex in Modena aber die Zodiacus-
zeichen nach den Monaten aufeinander-
folgen, sind die Darstellungen in eine andere
Reihe gebracht und daher der logische Zu-
sammenhang zerstört. Aber gerade darin Fig. 7. Luna, Miniatur aus dem »Uber physiognomiae«, pag. Vffl.
möchte ich eine Beeinflussung des Minia- (Modena, Bibl. Est, Cod. lat. DCXCVII).

tors erblicken, zumal der Zusammenhang mit

dem Text nur sehr lose ist. Mögen auch die Darstellungen ikonographisch als typisch, als ein feststehen-
des Schema zu gelten haben, in ihrer Composition sowie in der Verwerthung einiger Details scheint
mir doch ein Zusammenhang zu bestehen, wobei man freilich bedenken muss, dass die Formensprache
der Illustrationen des Codex, der etwa 70—80 Jahre nach den Fresken des Guariento anzusetzen ist,
einer Zeit angehört, in der Pisanello bereits auf der Höhe seines Ruhmes stand.

Mit Rücksicht auf das hohe Interesse der Darstellungen will ich eine kurze Beschreibung der
reizenden Bildchen folgen lassen und an die verwandten Scenen des Guariento erinnern, wobei ich
der Kürze halber auf die Beschreibung Didrons1 verweise und bemerke, dass auch in den Fresken des
Guariento den Planeten die Thierkreiszeichen beigegeben waren, die heute zwar nicht mehr erhalten
sind aber in den zu F'üssen der Planeten angebrachten Kreisen ihren Platz gefunden haben dürften.
Die Reihe beginnt mit dem Zeichen des Widders »a medio martii usque ad medium aprilis« und so
beginnt jeder folgende, je einem Thierkreiszeichen gewidmete Abschnitt mit der Mitte eines Monats.

Pag. V, oben: Sternbild des Widders;

unten: in der Mitte: vor einem achtstrahligen Stern Mars, als Ritter zu Pferd, nach links sprengend;
darüber die kleinen Sternbilder des Scorpions und des Widders (vgl. Pag. XII);
links: ein Ritter, gerüstet;

rechts: eine spinnende Frau in der Pisanellotracht (vgl. V. Fresco desGuariento, rechte Wand:
Mars).

Pag. VI, oben: Sternbild des Stieres;

Seiner k. u. k. Hoheit des Herrn Erzherzogs Franz Ferdinand von Oesterreich-Este befinde. Das im Besitze Höchstdesselben
befindliche Breviar ist das Breviarium Ercoles 1.

1 M. Didron aine, Les planetes, in den Annales archeologiques, Band XVII (1857), p. 296—306.

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