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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0149
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Hermann Julius Hermann.

Initiale A (Carlo magno?) erinnert an Pisanello. Bedauerlicherweise haben die Miniaturen durch
Feuchtigkeit so gelitten, dass Details nur schwer zu erkennen sind. Jedenfalls gehören sie einem ge-
schickten Miniator an, der sich an Pisanello gebildet hat. Das unten angebrachte Herzogswappen
Borsos lässt die Entstehung des Codex nach 1452 ansetzen.
Die Bibel Unter allen Miniaturhandschriften, die für die Este ausgeführt wurden, kann die Bibel des Herzogs

des Her- B0rso a]s jas prunkvollste Manuscript bezeichnet werden. An Reichthum der Decoration und an Glanz

zogsBorso. r '

der Ausstattung sowie an künstlerischer Vollendung steht sie — wenigstens in ihrem grösseren Theile —
den hervorragendsten italienischen Miniaturcodices ebenbürtig zur Seite, als ein Denkmal von so über-
quellender Pracht, wie Manuscripte in ähnlicher Schönheit nur noch in den Niederlanden und Burgund
entstanden.

Fig. 12. Stück einer Randleiste des Taddeo Crivelli in der Borsobibel, Band I, f. ig'.
(Sammlung Sr. k. u. k. Hoheit Erzh. Franz Ferdinand von Oesterreich-Este).

Einst die berühmteste Cimelie der Estebibliothek zu Modena, befinden sich die beiden Bände
dieser Prachtbibel gegenwärtig im Besitze Seiner k. u. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erz-
herzogs Franz Ferdinand von Oesterreich-Este und werden gleich dem Breviarium Ercoles I.
und dem Officium Alfonsos I. als kostbare Schätze in Cassetten von Eichenholz verwahrt.1 Ueber die
Entstehungsgeschichte sind wir durch urkundliche Nachrichten (vgl. Anhang, Nr. 26—88) ziemlich gut
unterrichtet, wenn sich auch nur vereinzelt Verweise auf die Handschrift vorfinden, die aber um so
werthvoller sind, als wir durch diese in die Lage gesetzt werden, den Antheil der Hauptmeister fest-
zustellen. Diese Frage ist aber gerade bei diesem Manuscripte so wichtig, weil neben den beiden
Hauptmeistern Taddeo Crivelli und Franco Russi auch Giorgio Tedesco und Marco dell'Avo-
garo betheiligt waren, von denen sonst — wie es scheint — kein anderes Werk mehr erhalten ist.
Durch die gnädige Bewilligung Seiner k. u. k. Hoheit war es mir vergönnt, die beiden Bände eingehend
studiren zu können, so dass ich den Versuch der Identificirung der Antheile der wichtigsten Meister
wagen zu dürfen glaube.

Bedenkt man, dass die beiden Bände2 rund 1000 Miniaturen, mindestens ebenso viele zum Theil
vortreffliche Thierstücke und Embleme enthalten, so ist leicht einzusehen, dass eine genaue Beschreibung
und Erörterung des Einzelnen den Rahmen dieser Untersuchung weit überschreiten müsste. Mit Rück-
sicht auf die unvergleichliche Bedeutung des Manuscriptes will ich aber wenigstens auf das Wesent-
lichste aufmerksam machen.

1 Die drei Miniaturcodices kamen 1859 nach Wien in die Modenasammlung.

2 Ueber die Borsobibel vgl. besonders Campori, Notizie, a. a. O., p. 249 ff., dessen Ausführungen von G. Gruyer (L'art
ferrarais etc.) übernommen sind; Milanesi e Pini, Nuove indagini con documenti inediti per scrivere una storia della mi-
niatura italiana, in Vasari, Ausgabe Le Monnier (1850), vol. VI, p. 322 ff".
 
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