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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0150
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Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara.

145

In jeder Hinsicht stellt die Borsobibel ein vollendetes Werk dar, würdig eines so prunkliebenden
Fürsten, wie Borso einer war. Tiraboschi1 stellte die Gesammtkosten 1375 Goldducaten im Werthe
seiner Zeit gleich; nach Campori (1872) würden sie der Summe von circa 16.541 Liren entsprechen.
Bedenkt man, dass der kostbare Einband allein i38t5 Lire (= 50 Ducaten) gekostet hat, so kann schon
daraus geschlossen werden, dass Borso ein Werk von unerreichbarer Pracht schaffen wollte. Aus Bolo-
gna kam das Pergament; der Mailänder Kalligraph Pietro Paolo Maroni, der in den Urkunden kurz-
weg »scriptore de la bibia« genannt wird, besorgte die Schreibarbeit und erhielt für jeden Quinternio
6 Lire (nicht 4 Lire, wie Campori angibt; vgl. Anhang, Nr. 58, 61 und 63). Als »adminiatori de la
bibia« erscheinen Taddeo Crivelli und Franco Russi
(gewöhnlich als »compagni« genannt), zwei Miniatoren von
höchster Bedeutung, die in der Borsobibel ein Werk ohne
gleichen geschaffen haben. Mit Rücksicht auf die künstleri-
sche Bedeutung dieser beiden berühmten Miniatoren wäre
eine nähere Kenntnis ihres Bildungsganges von besonderem
Werthe. Leider ist die urkundliche Ueberlieferung so lücken-
haft, dass — wenigstens über Russi — nur Vermuthungen
ausgesprochen werden können. In den Rechnungsbüchern
wird Franco auch »Francho de Messer Zohanne de
Russi da Mantua« genannt (vgl. Anhang, Nr. 3i), woraus
hervorgeht, dass sein Vater Giovanni hiess und dass er aus
Mantua stammte. Das ist Alles, w:as wir über seine Her-
kunft erfahren können; auch besitzen wir keine Nachrichten
über Werke, die er ausser der Bibel ausgeführt hat.

An künstlerischem Werth steht er jedenfalls weit hinter
Taddeo Crivelli zurück, über den wir durch urkund-
liche Nachrichten besser informirt sind. In einer von Citta-
della (Documenti, etc., p. 175) mitgetheilten Urkunde vom

12. Mai 146g wird er »filius ser Nicolai a Cribellis notarii« genannt; nach einer Eintragung
des Memoriale vom Jahre 1462 (26. October) war er Bürger von Ferrara (vgl. Anhang, Nr. 88). Seine
beiden Söhne Girolamo und Jacobo Maria werden in einer Urkunde vom Jahre 1485 erwähnt, in der
Taddeo Crivelli bereits als verstorben bezeichnet wird.2 Ueber seine Herkunft sind wir nicht unter-
richtet; fast durchgehends wird auch er für einen Mantuaner gehalten, obwohl sich in den bisher be-
kannten Urkunden keine Anhaltspunkte dafür finden. Marchese d'Adda 3 bezeichnet ihn als Mailänder
und weiss zu berichten, dass er um die Mitte des Jahrhunderts an der Ausschmückung der Corali der
Certosa von Pavia betheiligt war. Leider führt d'Adda keine Beweisgründe an, die ihn zu dieser Be-
hauptung veranlassten. Nichtsdestoweniger halte ich dAddas Behauptung für wahrscheinlich, zumal
in Mailand wie in Venedig Künstler des Namens Crivelli4 bekannt sind. Von zahlreichen Arbeiten
seiner Hand haben wir Nachrichten für die Zeit von 1452—1476; nachher verschwindet sein Name und

Fig. i3. Jehova erscheint dem Moses, Miniatur
des Taddeo Crivelli in der Borsobibel, f. 40'.

(Samml. Sr. k. u. k. Hoheit Erzh. Franz Ferdinand
von Oeslerreich-Este).

1 Tiraboschi, Storia della letteratura italiana, ed. II (1807), p. 148.

2 Cittadella, Documenti etc., p. 175.

3 Marchese Girolamo d'Adda, L'arte del minio nel ducato di Milano dal secolo XIII al XVI: als unvollendetes Werk
herausgegeben von G. Mongeri im Archivio storico lombardo, ser. II, vol. II, anno XII (1885), p. 33off.

♦ In einer Lactantiushandschrift der Wiener Hofbibliothek (Cod. Nr. 773), die ein einfaches Titelblatt mit Akanfhus-
ranken, Dornblättern und Blümchen schmückt, findet sich auf f. 64' die Notiz in Chiffrenschrift:

Bntpnkxs df Crkbfllks dfk grbtkb scrkpskt hxnc lkbrxm dkf XII kbnxbrkk 1433, d. h.
Antonius de Cribellis dei gratia scripsit hunc librum die XII januarii 1433.
Vielleicht gehört dieser Antonio de Cribellis der Familie des Miniators an. Offenbar derselbe »Antonio de Cribellis« nennt
sich in einer Suetonhandschrift der Biblioteca Trivulziana zu Mailand (Cod. Nr. 696), in der sich am Ende des Codex die
Notiz findet: »Libri scriptorem bone Jesu fac meliorem 1444 Maij.

Qui librum scripsit de Crivelis prolem habuit.

Suinotna« (i. e. Antonius).

Franco
Russi.

Taddeo
Crivelli.
 
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