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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0151
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146

Hermann Julius Hermann.

1479 wird er als verstorben erwähnt. Seine umfangreichsten Arbeiten mögen die Miniaturen in den
Choralbüchern der Certosa bei Pavia, die uns nicht mehr erhalten sind, die Bibel des Herzogs Borso,
gewiss sein Hauptwerk (1455 —1462), seine Miniaturen in den Corali von S. Procolo (1473) und von
S. Petronio in Bologna (1476) gewesen sein. Die grosse Anzahl der Bestellungen, die Crivelli über-
nahm, hatte eine mehr handwerksmässige Herstellung unter Betheiligung von Gehilfen zur Folge, so
dass Campori erklärt, Crivelli habe von dem Ruhme, den ihm die Bibel eintrug, viel eingebüsst. Seine
Geburt mag zwischen 1420 und 1430 zu setzen sein, da wir 1452 zum ersten Male urkundliche Nach-
richten über Arbeiten besitzen und er nach d'Adda vor 1455 an der Ausschmückung der Corali der
Certosa von Pavia beschäftigt war. Auffallend spärlich sind die Nachrichten, die wir von seinen Ar-
beiten in der Zeit von 1463—1470 haben. Nach Campori malte er 1461 eine Initiale in einer »Regoladei
Certosini« für die Certosa; diese Nachricht erklärt, wie wir sehen werden, die überraschende Ueber-
einstimmung des Titelblattes des ersten Bandes der Certosabibel mit jenem der Borsobibel.

Auch über die Gehilfen, die an der Ausschmückung der Bibel betheiligt waren, sind wir durch
die Aufzeichnungen des Crivelli in seinem »Libro di conto di debituri e crediduri« des Archivio di
stato in Modena unterrichtet; Crivelli nennt: Giovanni da Lira, Christoforo Mainardi, D. Pietro
Mazante, Giovanni da Gaibana (vgl. Anhang, Nr. 48, 49 und 50), Giovanni Tedesco di Man-
tova (vgl. Anhang, Nr. 27) und einen Malatesta pittore romano. Bedeutsamer erscheint die Be-
theiligung des Giorgio Tedesco und des Marco dell'Avogaro. Bei dem ganz aussergewöhnlichen
Reichthum der Decoration darf eine Arbeitstheilung als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Den
Gehilfen mögen die handwerksmässigen Arbeiten des Auftragens des Goldes, die kalligraphische
Uebung erfordernde Ausführung des Spirzengrundes der Randleisten u. a. m. überlassen gewesen sein,
während die Miniatoren selbst die figürlichen Compositionen, die Embleme des Herzogs, die Thiere
sowie das Schema der Decoration ausgeführt haben dürften. Ueber die Fortschritte der Arbeit geben
die — freilich lückenhaften — Eintragungen in den Rechnungsbüchern der herzoglichen Kanzlei An-
haltspunkte (vgl. Anhang, Nr. 26—28). Vor dem 1. Mai des Jahres 1455 scheint mit der Arbeit be-
gonnen worden zu sein; denn am 1. Mai erscheint bereits Giovanni da Lira als Gehilfe an der Aus-
schmückung der Bibel betheiligt (vgl. Anhang, Nr. 28). Am 21. April beziehen Crivelli und Russi ein
Haus des »Bertolamio dai Cari«, welches der Herzog um den Betrag von 25 Lire pro Jahr für sie ge-
miethet hatte, »azö che piü comodamente posesono miniare la sua bibia« (vgl. Anhang, Nr. 26 und 54).1

Bis zum Juli desselben Jahres war die Arbeit bis zum Buch Exodus gediehen, so dass dem Herzog
am 3. Juli der Quinternio d (welcher den Anfang des Buches Exodus enthält) zur Begutachtung vor-

1 Vgl. Campori, Notizie etc., p. 250, Anm. 1.

Fig. 14. Justitia, Miniatur des Taddeo Crivelli zum Buch Numeri in der Borsobibel, Band I, f. 56.
(Sammlung Sr. k. u. k. Hoheit Erzherzog Franz Ferdinand von Oesterreich-Este).
 
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