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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0154
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Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara.

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Fig. 17. Medaillon nach der Reversseite der Medaille Alfonsos I. von Pisanello,
Miniatur des Taddeo Crivelli in der Borsobibel, Band I, f. 273'.

(Samml. Sr. k. u. k. Hoheit Erzh. Franz Ferdinand von Oesterreich-Este).

Die Arbeit begann vermuthlich mit Auslassung des Titelblattes mit dem Quinternio b; bis zum
Juni 1455 war die dritte Lage vollendet. Im Allgemeinen theilten sich Taddeo Crivelli und Franco
Russi die Arbeit nach Quinternionen; doch finden sich auch gemeinschaftlich ausgeführte Lagen, wie
denn auch Zahlungen für gemeinschaftlich ausgeführte Quinternionen erfolgten (vgl. Anhang, Nr. 3o,
32, 35, 36, 37, 40, 42, 44 und 45). Auch scheint die Arbeit nicht ganz der Reihenfolge der Lagen
entsprechend ausgeführt worden zu sein; denn schon 1456 wird von einer Mithilfe des Malatesta Ro-
mano an dem »quinterno ultimo de Job« (dem 24. der Reihe) Erwähnung gethan (vgl. Anhang, Nr. 51),
während Giorgio Tedesco einen Quinternio, wie wir sehen werden, die 22. Lage 145g ausführte.
Ebenso haben sich Taddeo und Franco die Arbeit nach grösseren Partien getheilt, so dass z. B. Cri-
velli das dritte Buch der Könige, die Bücher Esdre, die Psalmen etc. übernahm, Russi dagegen das
zweite Buch Paralipomenon illustrirte. Aus mehreren Eintragungen im Libro di conto des Crivelli geht
hervor, dass zuerst die Miniaturen gemalt wurden und dann von den Gehilfen der Spitzengrund nach-
getragen wurde; denn es heisst z. B., dass Giovanni da Lira (vgl. Anhang 28, 33, 34, 39, 41 und 43)
einen von Crivelli und Russi gemalten Quinternio mit dem Spitzengrund geziert (»tiro de negro«) habe
(vgl. Anhang, Nr. 3g); zu organisch gliedern sich auch die Bilder in die Anlage der Randleiste, um
etwa die entgegengesetzte Entstehungsreihe anzunehmen.

Geht das Titelblatt auf Taddeo Crivelli zurück, so lässt ein gründliches Studium der Handschrift
den Meister als einen für künstlerische Strömungen äusserst empfänglichen Miniator erkennen. Auch
haben die Miniaturen infolge der Betheiligung von Gehilfen verschiedenen Kunstwerth. Die Miniaturen
der ersten Quinternionen lassen erkennen, dass Taddeo Crivelli in der Schule des Squarcione seine
künstlerische Vorbildung genossen hat. Die derben Köpfe mit den glotzenden Augen, die unbeholfene
Zeichnung, die eckigen Falten sowie die Phantastik der Felsenlandschaften weisen nach Padua. In
Ferrara mag Taddeo Crivelli durch das Studium der Werke des Pisanello für den veronesischen
Meister besonderes Interesse gewonnen haben. Es lässt sich verfolgen, wie Crivelli allmälig den Stil
des Vittore Pisano sich zu eigen gemacht hat. Nicht nur in der Tracht, die ja die höfische Mode in
Ferrara war, sondern auch in den Details der Behandlung, in seinen Thierstücken sowie in der Compo-
sition und im Colorit schliesst sich Crivelli dem berühmten Meister an. Daneben macht sich in ein-
zelnen Bildchen die Kenntnis von Werken des Mantegna und Piero della Francesca bemerkbar. Findet
sich z. B. einmal (Band I, f. 273') Pisanellos Reversseite der Alfonsomedaille frei verwendet, so mahnen
andererseits einzelne Scenen des Titelblattes durch ihre vortrefflichen Actstudien sowie die Strenge des
Stiles an Mantegna, während sich in der Landschaft nicht selten Anklänge an umbrische Vorbilder fin-
den, wie sie durch Piero della Francesca nach Ferrara gebracht wurden. So spiegeln sich in Taddeo

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