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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0169
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164

Hermann Julius Hermann.

Ausser diesen vier Meistern führten mehrere Gehilfen vereinzelt Miniaturen in der Bibel aus; zweimal
findet sich ein ganzer Quinternio von Gehilfenhand:

I. Band.

Quinternio 0 (f. 122 — f. i3i): Miniaturen zum ersten Buch und zu den ersten elf Capiteln des zweiten
Buches der Könige, die gegenüber den übrigen Miniaturen dieses Bandes weit zurücktreten. Die kleinen, roh
gezeichneten Compositionen sind roh colorirt und entbehren der grösseren Sorgfalt der Ausführung.

II. Band.

Die zwölfte Lage (f. 94— f. io3), bezeichnet c, mit den Büchern der kleinen Propheten, fällt voll-
kommen aus dem stilistischen Gepräge dieses Bandes; die rohen Miniaturen, denen ungeschickte, dilettantische
Zeichnung und rohes Colorit eigen ist, rühren von einem ganz untergeordneten Miniator her. Eigenthümlich ist
hier nur die Behandlung der Randleisten, in denen Rosetten und geometrische Muster mit Holzstöcken einge-
druckt sind und deren Zwischenräume durch goldene Spiralranken mit Blüthen und Emblemen gefüllt sind; im
Gesammteindruck überladen und geschmacklos, erheben die schlechte Zeichnung und die rohe Ausführung die
Miniaturen kaum über Arbeiten eines Dilettanten.

Fig. 32. Miniatur des Marco dell'Avogaro auf dem Titelblatt zum Jacobusbrief in der Borsobibel, Band II, f. 229'.
(Sammlung Sr. k. u. k. Hoheit Erzh. Franz Ferdinand von Oesterreich-Este).

Taddeo Crivelli, Franco Russi, Giorgio d'Allemagna und Marco dell' Avogaro ragen unter den
Miniatoren der Bibel als die bekanntesten Meister hervor. Sehen wir uns nach anderen Werken um,
die diese Meister ausgeführt haben, so ist die Zahl der erhaltenen kaum nennenswerth; um so reich-
haltiger sind — mit Ausnahme von Russi, über den wir keine anderweitigen Nachrichten haben, — die
urkundlichen Berichte, die uns von zahlreichen Werken Kenntnis geben. Wenden wir unsere Auf-
Andere Werke merksamkeit zunächst auf Taddeo Crivelli, den vortrefflichsten unter den Miniatoren der Bibel,
its™iJ™c"' über dessen Thätigkeit wir für die Zeit von 1452 bis 1476 näher unterrichtet sind (vgl. Anhang, Nr. 89
bis 129). In seinem »libro di comto di dibituri e crediduri«1 hat uns ja Crivelli selbst Aufzeichnungen
über verschiedene Arbeiten hinterlassen, die heute verschollen sind.2 Zunächst führt er 1452—H54 ^ur

1 Gegenwärtig in R. Archivio di stato zu Modena.

2 A. Venturi (La miniatura ferrarese nel secolo XV e il Decretum Gratiani, im IV. Bande der Gallerie nazionali italiane) hat
darauf aufmerksam gemacht, dass Taddeo Crivelli auch Tafelmaler war; in einem Briefe an Ludovico Casella, den herzoglichen
Secretär, schreibt Borso: »fa dire a Taddeo Crivelli, che mi mandi quello quadretto, che mi ha facto, perche volemo vederlo.«
 
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