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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0174
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Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara.

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den Verfasser an Kaiser Friedrich gelegentlich des Aufenthaltes des Kaisers in Ferrara dar und dürfte
bald nach dem bedeutenden Ereignis (jedoch nach 1457)1 ausgeführt sein. Links sitzt auf einer mit dem
Esteadler gezierten Bank Kaiser Friedrich III. mit charakteristischem Profil, mit grosser, von langen
Haaren umsäumter Glatze. Der Kaiser trägt ein violettes Gewand mit hohem rothen Kragen, ein Lorbeer-
kranz windet sich um seine Schläfen; dem vor ihm knieenden Bianchini, der das Buch dedicirt, reicht er
ein getheiltes Wappen, das oben den kaiserlichen Adler auf Gold zeigt, unten blau-silber fünffach ge-
theilt ist. Als Fürsprecher steht rechts Borso in kurzem Mäntelchen mit Hermelinschuhen, die oben
der Paraduro schmückt, dem Kaiser den Verfasser vorstellend. Eine Gruppe von drei jungen Höflin-
gen in der Zeittracht vervollständigt das Bildchen, das durch die Portraittreue der dargestellten Perso-
nen sowie durch die Costüme an Interesse gewinnt. Das in Aquarellfarben ausgeführte Bildchen er-
innert coloristisch vielfach an französische Manuscripte, von denen ja Borso zahlreiche Beispiele besass.
Stilistisch der obengenannten Engelgruppe des Missales verwandt, mag die Ausführung vielleicht einem
Gehilfen Crivellis angehören.2

Bald nach dem Tode Borsos wanderte Taddeo Crivelli nach Bologna, wo er — wie so viele
ferraresische Maler, wie Cossa, Roberti, Costa u. a. — reiche Beschäftigung fand. Das erste grössere
"Werk,_abgesehen von verschiedenen Officien, Landkarten u. a. m. — das Crivelli in Bologna3 aus-
führte, war ein Corale für die Benedictinermönche von S. Procolo in Bologna. In einer von
Malaguzzi-Valeri mitgetheilten Urkunde (vgl. Anhang, Nr. 121) vom 2. Jänner 1473 wird erwähnt,
dass Crivelli die Miniaturen in einem von dem Mönche D. Mauro da Pavia geschriebenen Graduale
gemalt hat, und zwar drei Initialbilder mit St. Stefanus, St. Johannes Ev. und dem Kindermord. Cri-
velli scheint in Geldverlegenheit gekommen zu sein; denn er verpfändete einige Lagen des Graduale,
die aber wieder zurückgekauft wurden. Zur Vollendung des Werkes wurde dem Crivelli der bekannte
bolognesische Miniator Domenico Pagliarolo an die Seite gestellt. Mit den übrigen Corali von S. Pro-
colo wird das genannte Graduale gegenwärtig in der reichen Chorbüchersammlung des Museo Civico
zu Bologna aufbewahrt. Leider ist aber der Codex seiner Miniaturen beraubt; ein Mönch des Klosters,
Fra Lorenzo da Bologna, hat sie herausgeschnitten. Drei Jahre darauf (1476) hatte Crivelli eine Arbeit
übernommen, die seine umfangreichste Leistung hätte werden können, wenn er seinen Verpflichtun-
gen nachgekommen wäre: die Ausschmückung der Corali in S. Petronio in Bologna (vgl. An-
hang, Nr. 122—129).4 Im März 1476 schloss Crivelli mit dem »camerlengo della fabbrica di S. Pe-
tronio« Galeazzo Marescotti de' Calvi einen Vertrag, durch welchen er sich verpflichtet, in jedem der
11 Bände ein Titelblatt, die Initialbilder zu den Hauptfesten und zu den weniger hervorragenden
Festen, dann Initialen mit Brustbildern von Heiligen und die Initialen zu den Sonn- und Feiertagen
(ohne Innenbilder) zu malen. Hingegen sollten ihm 14 Lire als Vorschuss ausbezahlt werden und er
nach Vollendung jedes Bandes oder jedes Bildes nach seinem Willen die vereinbarten Preise erhalten.
Je nach der Bedeutung der Initialen wurde der Preis mit 7 Soldi, 12 Soldi, 2 Lire und 3 Lire 5 Soldi
festgesetzt. Die Randleisten der Titelblätter sollten mit Blattranken, dem Bilde des heil. Petronius
oder eines anderen Heiligen, Vögeln, Thieren und anderen »pulchris inventionibus« geziert werden
(vgl. Anhang, Nr. 122).5 Am 14. März 1476 wurden dem Crivelli 14 Lire als Vorschuss (vgl. Anhang,
Nr. 123) ausbezahlt; drei weitere Zahlungen im Gesammtbetrage von 15 Lire folgen (vgl. Anhang,
Nr. 124, 125 und 126); dann verschwindet Crivellis Name in den Rechnungsbüchern; am 10. Mai

1 Vgl. Gius. Antonelli, Indice dei manoscritti della civica biblioteca di Ferrara I (1884), pag. 85.

2 Ganz ohne Grund wurde diese Miniatur dem Cosimo Tura zugeschrieben; vgl. Baruffaldi, Vite de' pittori e scultori
ferraresi (1844) L P- 65> n- 2.

3 Vgl. Fr. Malaguzzi-Valeri, La miniatura in Bologna dal XIII al XVIII secolo, im Archivio storico italiano, ser. V,
tom. XVIII (1896), pag. 275 f.

4 Vgl. Luigi Frati, Notizie storiche sugli scrittori e miniatori dei libri corali della chiesa di S. Petronio in Bologna,
in Rivista delle biblioteche e degli archivi VI (1895), P- '73ff.; Derselbe, I Corali della Basilica di S. Petronio, Bologna 1896,
und Fr. Malaguzzi-Valeri, La miniatura in Bologna, a. a. O.

5 Der Vertrag ist publicirt bei Frati, Notizie storiche sugli scrittori e miniatori etc., a. a. O.; bei demselben, I Corali
della Basilica di S. Petronio, p. 84, doc. II und III und bei Fr. Malaguzzi-Valeri, a. a. 0., p. 310 f., doc. II.
 
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