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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Glück, Gustav: Beiträge zur Geschichte der Antwerpner Malerei im XVI. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0008
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Gustav Glück.

einschloss, gänzlich an sich gerissen. Während die Portugiesen früher ihre Waaren durch italienische
Häfen, besonders über Venedig, nach dem Norden gebracht hatten, war jetzt in Antwerpen ein mächti-
ger Hafen entstanden, der die gesammte Einfuhr überseeischer Producte in die Niederlande und nach
Deutschland besorgte. In Antwerpen wurde damals auch das Amt eines königlich portugiesischen
»Factors«, nach unseren heutigen Begriffen etwa das eines Generalconsuls, geschaffen. Von ihm be-
ziehen von nun an die Vertreter der grossen deutschen Handelshäuser, der Fugger, Welser, Höchstätter
und anderer, ihre Waaren und senden sie nach Deutschland. Dieser Uebergang des Welthandels nach
Antwerpen hat nun auch bewirkt, dass Maximilian noch die Erfüllung seines Wunsches, den er in
jenem Schreiben von 1488 ausgesprochen hatte, erleben sollte: um das Jahr 1516 übersiedeln, wie
Giucciardini berichtet, alle fremden Kaufieute, die bisher in Brügge ihren Wohnsitz gehabt hatten,
mit Ausnahme einiger weniger Spanier nach Antwerpen. Damit war der Vorrang Antwerpens vor
Brügge für alle Zeiten besiegelt.

Durch den Wohlstand und Reichthum, der sich dank dieser Verhältnisse bei allen Ständen ent-
wickelt, wird der Bedarf an Kunstwerken aufs Höchste gesteigert; und im Verein mit dem regen Leben
und Treiben der grossen Handelsstadt erzeugt dies eine Blüthe der Kunst, wie sie die Niederlande
bisher noch nicht gesehen hatten. Die Einfuhr von Kunstwerken aus Brüssel, die noch am Ende des
XV. Jahrhunderts nothwendig gewesen war, um den Bedarf Antwerpner Kunstliebhaber zu decken, wird
bald überflüssig. Insbesondere entwickelt sich die Malerei hier geradezu zu einem wichtigen Industrie-
zweige, und Antwerpner Altäre werden, wie wiederholt nachgewiesen worden ist, nach aller Herren
Länder, nach Deutschland, Spanien, Portugal und Italien, ausgeführt. Um die Mitte des XVI. Jahrhunderts
fand Guicciardini Werke von Antwerpner Malern fast auf der ganzen Welt zerstreut. Auch für den
Verkauf der Gemälde im Inlande sorgen zur Zeit der grossen Jahrmärkte öffentliche Kunstmärkte, durch
die der Handel mit Flügelaltären, Tafelbildern und Holzschnitzereien gewissermassen monopolisirt
wird. Diese Ausstellungen von Kunstwerken, in denen man vielleicht das erste Auftreten einer Er-
scheinung erkennen kann, die zu dem gefürchteten Uebel unserer heutigen grossen Kunstausstellungen
geführt hat, fanden anfangs unter geistlicher Obhut bei der Liebfrauenkirche statt (Onze Lieve
Vrouwen Pand),1 später in den weiten prächtigen Räumen der neuen Börse, die 1531 auf dem schönsten
Platze von Antwerpen erbaut worden war.2 Sicherlich haben diese Veranstaltungen nicht nur auf den
Absatz der Bilder sondern auch auf die ganze Kunstübung keinen geringen Einfluss genommen.
Ausserdem schickten, wie man aus Van Manders Buch weiss,3 manche Antwerpner Künstler ihre Bilder
auf Provinzmärkte, wo sie reissenden Absatz fanden. Auch erhielt im Jahre 1508 die Lucasgilde das
Recht, Gemälde aller Art und MalerzugehÖr in ihrem Hause zu verkaufen, wogegen die Decane der
dadurch betroffenen Trödlergilde keinen Einspruch erhoben.4 Seit alter Zeit war es üblich, dass die
Decane der Malergilde zum Beweis für die Güte des verwendeten Materials das Stadtwappen auf die
Rückseite der Altarwerke einbrannten, und zwar auf das blosse unbemalte Holz eine Hand und später
nach Vollendung des Gemäldes eine Burg, die mit der Hand zusammen das Wappen von Antwerpen
bildet.5 Dieses Kennzeichen ist wiederholt mit Nutzen zur Bestimmung der Herkunft niederländischer
Altäre verwendet worden.

Die überaus günstigen geschäftlichen Bedingungen mussten auch auf die gesellschaftliche Stellung
der Maler von Einfluss sein. Sie spielen im öffentlichen Leben der Stadt eine hervorragende Rolle,
und die alte Malergenossenschaft, die Lucasgilde, geniesst ein Ansehen, das sich mit dem unserer
Künstlergenossenschaften nicht vergleichen lässt. Die beiden Decane dieser Brüderschaft nahmen an

1 Van den Branden, Geschiedenis der Antwerpsche Schilderschool, Antwerpen i883, S. 35 ff.

2 Guicciardini, Descrittione di tutti i Paesi Bassi, Antwerpen 1567, p. 67.

3 Im Leben des Jan de Hollander.

4 Rombouts und Van Lerius, De Liggeren en andere historische Archieven der Antwerpsche Sint Lucasgilde, Antwer-
pen 1872, S. 70.

5 Van den Branden, a. a. O., S. 3l.
 
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