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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Glück, Gustav: Beiträge zur Geschichte der Antwerpner Malerei im XVI. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0018
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Gustav Glück.

Dass Dirick Jacobssone hauptsächlich Glasmaler war, beweisen nicht nur diese urkundlichen
Nachrichten sondern auch die zahlreichen, mit seinem Zeichen D V versehenen Vorzeichnungen
zu Glasgemälden, die uns in verschiedenen Sammlungen erhalten sind. Bezeichnete grössere Glas-
gemälde habe ich bisher nicht kennen gelernt; doch, glaube ich, darf man hoffen, dass sich bei einer
gründlicheren Durchsicht der in belgischen Kirchen noch vorhandenen Glasgemälde auch solche finden
werden, die man dem Meister nach dem Stile mit Sicherheit wird zuschreiben können. M. J. Fried-
länder1 glaubte seinen Stil in den Glasmalereien der Kapelle zu Cambridge wiederzuerkennen, ein
Hinweis, der mir sehr beachtenswerth erscheint, da dieser Gelehrte, wie wir später noch sehen werden,
eine sehr genaue Kenntnis der Formenwelt unseres Meisters besitzt. Leider war es mir aber bisher
nicht möglich, diese Vermuthung zu überprüfen.

Ein einziges Glasgemälde von der Hand Meister Diricks vermag ich den Lesern in Abbildung vor-
zuführen (Taf. I). Das merkwürdige Werk, dessen Kenntnis ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Ge-
heimraths Lippmann verdanke, befindet sich im Besitze der Frau
Ottilie Goldschmidt-Pzribram in Brüssel.2 Es ist eine kreisrunde
Glasscheibe von der Art, wie sie im XVI. Jahrhundert allgemein
und besonders auch in Deutschland zur Ausschmückung der Fenster
verwendet wurden. Die Darstellung ist auf den Glasgrund mit
schwarzer Farbe gezeichnet und macht im Ganzen völlig den Ein-
druck einer Federzeichnung. Der Gegenstand ist der Triumph der
Zeit nach Petrarca, und es lässt sich mit grösster Wahrscheinlich-
keit annehmen, dass unsere Scheibe zu einer Folge gehört hat, die
auch die übrigen fünf Triumphe Petrarcas enthielt. Solche Folgen
kommen ja auch sonst nicht nur in der italienischen sondern auch
in der niederländischen Kunst dieser Zeit vor.3

Auf den ersten Blick erkennt man, dass dem Meister bei sei-
nem Triumph der Zeit verschiedene italienische Vorbilder vor-
gelegen haben. Doch hat er die einzelnen entlehnten Motive mit
grossem Geschick zu einer hübschen, abgerundeten Composition
vereinigt. Auf einem stattlichen aber plumpen Wagen, der von
weissen Hirschen gezogen wird, steht die Personification der Zeit, ein kleines, gebrechliches, weiss-
bärtiges Männlein, das sich trotz der Flügel, die es an den Schultern trägt, auf Krücken stützt. Am
Rande des Wagens, dessen Aufsatz mit einer Art Fries von Sanduhren geschmückt ist, sitzt ein
reichgekleideter Jüngling, der durch eine Sanduhr, die ihm seltsamerweise als Kopfputz dient, wohl
als Sinnbild der Stunde bezeichnet werden soll. Dieser »Knabe Lenker« wendet sich mit abwehren-
der Geberde einer Frauensperson zu, die hinter den beiden Hirschen sichtbar wird und sich er-
schreckt zur Flucht zu wenden scheint. Sollte dies die Personification des Ruhmes sein, die >Fama«,
die auf anderen Darstellungen dieses Gegenstandes, durch die Macht der Zeit vernichtet, unter
dem Gespanne liegt? Rechts von dem Wagen und hinter ihm sieht man das Volk sich drängen.
Schwierig zu deuten sind die drei Figuren des Vordergrundes, die neben dem Wagen einherschreiten.
Der Mann rechts, die grösste Figur der ganzen Darstellung, ist durch nichts Anderes als durch einen
mit Flügeln geschmückten Helm charakterisirt. Man denkt unwillkürlich an Mercurius, der hier in
seiner Eigenschaft als -/Oivto; oder 4u/otc|xtco; ganz wohl an seinem Platze wäre.4 Was soll aber der
etwa vierzehnjährige Knabe bedeuten, der in der linken Hand eine Kanne hält und mit der rechten

Fig. 2. Florentiner Meister des XV. Jahr-
hunderts, Fragment aus dem Triumph
der Zeit.

(Kupferstich.)

1 Ausstellung von Kunstwerken des Mittelalters und der Renaissance, Berlin 1899, S. 19.

2 Für die freundliche Einsendung einer wohlgclungenen Photographie und die Bewilligung der Reproduction sage ich
der Besitzerin meinen ergebensten Dank.

3 Ich verweise hier nur auf die sechs Gobelins, die sich im Besitze des Allerh. Kaiserhauses befinden und im I. Bande
dieses Jahrbuches (Inv.-Nr. GII) veröffentlicht worden sind.

4 Diese Attribute waren der Renaissance wohlbekannt; vgl. Otto Jahn, Aus der Alterthumswissenschaft, S. 350.
 
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