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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Dvořák, Max: Die Illumination des Johann von Neumarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0053
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Die Illuminatoren des Johann von Neumarkt.

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von weissen Tupfen hervortritt und verschiedene Ornamente entstehen lässt. Neben der Schrift-
columne zieht sich ein Streifen aus blauen und rothen Capillaren oder aus blauen und rothen Aestchen
hin, die ebenfalls mit Ringelchen begrenzt sind.

Wir finden diese Ornamentik überall in Europa für einfachere
Handschriften verwendet. Wichtiger wird sie da, wo sie ein Surro-
gat für eine malerische Ausschmückung des Codex werden soll, wie
in der Arbeit Sampsons. Die Ausschmückung der Buchstaben be-
schränkt sich in der letzteren Handschrift nicht auf geometrische
Motive sondern der Schreiber zeichnet mit der Feder Ornamente,
welche aus stilisirten und unstilisirten Blättern, Blüthen, ja sogar
menschlichen Köpfen zusammengestellt sind (Fig. 3 und 4). Hie und
da versucht er ein romanisches Ornament nachzumalen, wie er es in
seiner Vorlage sah (Fig. 4). Aehnliches finden wir in weit grösserem
Maasse z. B. in dem Evangeliar A. 26 der Bibliothek des Prager und
in der Bibel Nr. 12 des Olmützer Domcapitels. Die rothe und blaue
Farbe wird später durch gelbe, grüne und braune vermehrt. Doch es
sind keine Guachefarben, wie sie in dieser Zeit von Berufsmalern be-
nützt werden, sondern einfache grelle Schreibertinten.

Im Ganzen und Grossen macht die Ornamentik des Sampson-
codex einen sehr originellen Eindruck. Wann und wie ist sie ent-
standen?

Ein älteres, vielleicht das älteste Beispiel einer ähnlichen Aus-
schmückung bietet das bereits erwähnte Evangeliar A. 26 in der
Prager Domcapitelbibliothek, welches im Jahre 1256 geschrieben
wurde. Später mehren sich die Beispiele ungemein.

In der zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts begann man, wie
überall, auch in Böhmen viel zu schreiben. Es hängt dies vor allem
mit der Entfaltung der Rechtsinstitutionen zusammen. Wir kennen
eine Reihe von Schreibern, welche in der Kanzlei, in einzelnen
Aemtern und ausserhalb derselben beschäftigt waren. Im Jahre 1270
wurde in Prag eine Schule für Notare und Schreiber eröffnet.1 Dass
diese nicht ausschliesslich Urkunden und Eintragungen in Rechts-
bücher schrieben, beweist Sampson. Mit den Miniaturschulen und
Werkstätten der romanischen Zeit hatten diese Schreiber keine Ver-
bindung. Ihre Kunst war die Kalligraphie, doch diese haben sie un-
gemein entwickelt. Man beobachte nur, wie sie die gothische Schrift
vervollkommneten. Die Entfaltung der Ornamentik besteht in erster
Reihe in reicher Verwendung der alten und allgemeinen Motive.
Daneben begegnen wir auch Versuchen, neue Ornamente zu erfin-
den. Diese Versuche sind besonders lehrreich. So ist sehr beliebt
eine fünf blättrige Rosette, welche so entstanden ist, dass ein mit
dem Cirkel gezogener Kreis in fünf Compartimente getheilt wurde,
was später als eine Blüthe aufgefasst wurde. Solche Blüthen werden
dann wiederholt und an dem Streifen entlang der Schriftencolumne durch Stengel befestigt, wie wir
es z.B. in der Raudnitzer Handschrift XII. A. 4 finden, welche die Sermones des Augustin enthält, oder
in dem Agendenbuch des Prager Domcapitels, oder in den Handschriften, welche vom Bischof Tobias
(1278 —1296) dem Prager Dome geschenkt wurden.

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Fig. 4. Initiale und Randleiste auf
f. 137' der Handschrift XII. A. 15
(Schriften des Bernard von Glair-
vaux) im böhm. Landesmuseum.

1 Vgl. Tadra, Kanceläfe a pisaf'i v zemich äesk^ch (Die Kanzleien und Schreiber in den böhmischen Landen), S. 4 ff.
 
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