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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Dvořák, Max: Die Illumination des Johann von Neumarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0061
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Die Illuminatoren des Johann von Neumarkt.

55

So drangen sich im XIII. und XIV. Jahrhundert Lernbegierige zu den italienischen Rechtsschulen
und italienische Rechtsbücher füllen besonders in der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts die Biblio-
theken kaum weniger als theologische Bücher, welche aus Frankreich gebracht wurden. In allen Biblio-
theken der kirchlichen Corporationen, so z. B. in den Bibliotheken der Domcapitel in Prag und Olmütz,
bestehen die Fonds aus dem XIV. Jahrhundert vielleicht zum Drittel aus italienischen canonistischen
Handschriften, die fast durchwegs im Stile der Bologneser Büchermaler illuminirt sind.1

Die Studenten, welche in Bologna studirten, brachten natürlich auch andere Bücher als Rechts-
codices nach Böhmen. Das sogenannte Mariale Arnesti in der Wiener Hofbibliothek ist eine italienische
Handschrift, welche für den Erzbischof Ernst von Pardubitz in Bologna oder anderswo in Italien, wo sich
der Bologneser Stil eingebürgert hat, geschrie-
ben und illuminirt wurde. Aehnliche Bestellun-
gen waren jedenfalls nicht vereinzelt und es
wäre merkwürdig, wenn man Nachahmungen
bolognesischer Arbeiten in Böhmen nicht fest-
stellen könnte.

Einen besonders interessanten Beleg für
das parallele Eindringen neuer italienischer
Rechtsanschauungen und des italienischen
Bücherschmuckes bietet das Zweitälteste Brün-
ner Rechtsbuch. Doch es lohnt sich, auch das
älteste heranzuziehen. Die Handschrift ist ein
Prunkexemplar eines deutschen Rechtscompen-
diums, welches z. B. den Schwabenspiegel, das
Magdeburger Recht und eine Uebertragung des
Iglauer Stadtrechtes enthält und in den ersten
Jahrzehnten des XIV. Jahrhunderts geschrieben
wurde.2 In die Handschrift wurden fünf Voll-
blattminiaturen eingeklebt, die in keinem Zu-
sammenhange mit dem Texte stehen. Sie stam-
men aus der ersten Hälfte des XIII. Jahrhun-
derts und waren ursprünglich als Schmuck für
ein kostbares Psalterium bestimmt, dessen Be-
sitzerin oder Stifterin — wohl eine deutsche Fürstin — auf einer der Miniaturen abgebildet ist. Die
Miniaturen sind deutsch; sie näher zu localisiren, dürfte vorläufig unmöglich sein. Der Codex ist also
ein solennes Rechtsbuch, das im Wesentlichen auf deutschen Volksrechten beruht und für dessen
Schmuck alte deutsche Miniaturen aus einem Psalterium entlehnt wurden.

Das Zweitälteste Rechtsbuch von Brünn hat, obwohl es nur um wenige Jahrzehnte jünger ist, in-
haltlich und in Bezug auf Ausschmückung einen ganz anderen Charakter.

Die Unzulänglichkeit des alten Rechtes und die ungeheure Entfaltung der römisch-canonistischen
Studien bereiten jene grosse Wandlung im Rechts- und hiemit gesammten öffentlichen Leben vor, die
wir als die Reception des römischen Rechtes zu bezeichnen pflegen. Wie die französischen Coutumes
im XIII. Jahrhundert, werden nun die deutschen Localrechte von römischen civilrechtlichen und cano-
nistischen Anschauungen durchdrungen.

Das zweite Rechtsbuch von Brünn wurde, wahrscheinlich im Jahre 1353, von dem Stadtschreiber
Johann verfasst, geschrieben und illuminirt. Es ist eine Sammlung von Schöffensprüchen, doch mit

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Fig. 8. Miniatur und Randleiste auf f. 23 des Zweitältesten
Brünner Rechtsbuches im Stadtarchive zu Brünn.

1 Wie allgemein maassgebend die Ausschmückung der italienischen Handschriften für Rechtsbücher überhaupt in dieser
Zeit gewesen ist, beweisen die Rechtssatzungen Ludwiks in der Wiener Hofbibliothek.

2 Vgl. Celakovsky, Ueber die Rechtsbücher von Brünn, in der böhmischen Musealzeitschrift 1890.
 
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