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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Modern, Heinrich: Geweihte Schwerter und Hüte in den kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0166
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i6o

Heinrich Modern.

königlichen und kurfürstlichen Prinzen von Polen und Sachsen Friedrich August1 (nachmals Friedrich
August IL, respective August III.) von Benedict XIII. im Jahre 1726 (geweiht am heiligen Abend des
Jubiläumsjahres 1725; vgl. Fig. 4) übersendet wurden. Die edlen Linien, die monumentale Grösse der
Conception sind verschwunden; die Dimensionen sind zwar weiter gewachsen, aber sie setzen sich
aus kleinlichen Einzelheiten zusammen und die Proportionen fehlen. Das Ornament hat die Richtung
aber auch den Adel verloren. Nichts ist übrig geblieben als geistlose Nachahmung unverstandener
Vorbilder. Der Charakter des Zweihänders ist fallen gelassen, die Hülse ist mit Warzen besetzt; wehe
dem, der da zugreift. Der Griff setzt sich über die Parirstange hinaus fort, ihm ist die Klinge schein-
bar angeklebt. Wie eine ins Ungeheure gewachsene Tortennadel sieht sich das Schwert Benedicts XIII.
an, das auch im Materiale auf Kupfer zurückgegangen ist.

V. Geweihte Schwerter in öffentlichen und privaten Sammlungen.

Zaluski hat als erster 1726 eine Zusammenstellung der Fürstlichkeiten gegeben, die Schwert und
Hut von den Päpsten erhalten haben. Sieht man von drei legendären Fällen aus den Jahren 1177,
1202 und 1204 ab, so umfasst die Liste 24 Personen, nicht so viele, als noch heute Schwerter erhalten
sind. Ein zweites selbständiges Verzeichnis gibt Vicomte F. de Villeneuve-Bargemont (Monumens des
Grands Maitres de l'ordre de S' Jean de Jerusalem, Paris [Blaise] 182g, II, 226 f.), etwa die doppelte
Zahl umfassend, sehr unkritisch und mit zahlreichen Irrthümern; immerhin bereicherte er die Liste
Zaluskis, die von Primisser, Sacken u. A. abgedruckt wurde, wesentlich. Moroni im öfter citirten
Dizionario kennt gegen 70 Fälle, die vielfach von Müntz richtiggestellt wurden.2 Ohne Mühe könnte
dieses letztere Verzeichnis auf mehr als 100 Verleihungen gebracht werden. Werth aber hätte nur eine
kritische Zusammenstellung, die hier zu geben Raum und Gelegenheit verbieten. Dagegen dürfte ein
chronologisches Verzeichnis der erhaltenen Schwerter und ihrer Abbildungen willkommen sein. Voll-
ständig ist es nicht; öffentliche und private Sammlungen nach dieser Richtung zu durchforschen, hat
erst Eugen Müntz unternommen; manch' verborgener Schatz der Goldschmiedekunst auf diesem Ge-
biete wird noch zu Tage gefördert werden; das jüngste und letzte der Schwerter war als geweihtes
Schwert bisher nicht bekannt.

Ich bezeichne, wo immer dies angeht, die Jahreszahl nach dem Jahre der Weihe und unserer
Zeitrechnung. Das Pontificatsjahr ist nur dort angegeben, wo es vom Schwerte abzulesen ist. Die
Schwerter in der Armeria zu Madrid sind bis auf eines, das älteste, ohne Griff und ohne Scheide auf
uns gekommen; nur die Stahlklingen sind der Einschmelzung entgangen. Die Veränderungen, die die
zwei geweihten Schwerter in Berlin über sich ergehen lassen mussten, sind von Lessing eingehend
dargestellt worden.

geweihte Schwert schickte er seinem berühmten Landsmanne Francesco Morosini. Abgebildet und charakterisirt (chef d'oeuvre
de mauvais goüt) bei Molinier E., Venise, ses arts decoratifs, ses musees et ses collections, Paris (Librairie d'art) 1889,
p. 120 und 123.

1 Nicht dem König August dem Starken, wie es im Kataloge des königl. historischen Museums von Dresden (Dresden
[Haensch] 1899, S. 113 und 207), bei Rade, Königl. historisches Museum zu Dresden, II, Taf. 29, und bei Anderen heisst.
Das päpstliche Breve und fünf Briefe des Papstes Benedict XIII., ddo. Rom, i3. April 1726, an den König August den
Starken, an die Erzherzogin Maria Josepha, an den Erzbischof von Gnesen, an den Obersthofmarschall und an den Oberst-
kanzler von Polen nennen den Beschenkten (alle abgedruckt bei Zaluski). So schreibt der Papst an die Erzherzogin Maria
Josepha, die Gemahlin des beschenkten Prinzen, dass er Schwert und Hut, angethan mit den priesterlichen Gewändern, die
die Erzherzogin ihm gespendet, am heiligen Abend geweiht habe. Prinz Friedrich August, der sich 1712 in Bologna heim-
lich zum Katholicismus bekehrt hatte, trat 1717 in Wien öffentlich zur katholischen Kirche über und vermählte sich im
Jahre 1719 mit der ältesten Tochter Kaiser Josefs I. Aus dieser Ehe stammt Prinz Albert Kasimir August, nachmals Herzog
von Teschen, der Gründer der »Albertina«.

2 Capogrossi-Guarna Conte B. hat in seiner Schrift: »Lo stocco e berrettone donati al Gran-Maestro di Malta Pinto
da Fonseca«, Roma 1894, dieser Liste noch einige weitere Namen hinzugefügt; ich konnte dieses Buch leider nicht zu
Gesicht bekommen.
 
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