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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Wickhoff, Franz: Hermann Dollmayr
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0183
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Hermann Dollmayr.

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angekündigt hatte. Es wäre eine wohlverdiente Freude für Morelli gewesen, wenn er diese Huldi-
gung der deutschen Wissenschaft noch erlebt hätte.

Als Herr v. Lützow starb, der die Docentur für Kunstgeschichte an der Akademie der bildenden
Künste innehatte, wurde diese am 8. November 1897 an Dollmayr übertragen. Er war für diese Auf-
gabe besonders geeignet, weil er eine lebhafte Neigung für die moderne Malerei hatte und so die jungen
Künstler von der Theilnahme an ihren Bestrebungen und ihrem Wirken aus in das Verständnis der
älteren Kunst einführen konnte.

Die liebevolle Beobachtung der Entwicklung der neueren Malerei hatte ihn mit den Künstlern
der Wiener Secession in Verbindung gebracht. Wenige Monate vor seinem Tode hatten sie ihn für das
Redactionscomite ihrer Zeitschrift, die den Titel »Ver Sacrum« führt, gewonnen. Es lässt sich nicht
ermessen, welchen Nutzen der Einfluss eines so thätigen Mannes voll geistiger Kraft auf diese leicht
empfänglichen Naturen hätte stiften können.

Eine breite Belesenheit und feine literarische Bildung bildeten die Basis aller seiner Studien. Die
älteren deutschen Schriftsteller der vorclassischen Periode hatten seine besondere Neigung. Ihre etwas
schwere Tüchtigkeit, ihre heitere Biederkeit entsprachen seinem eigenen Wesen. Claudius hatte er
ans Herz geschlossen. Ein eifrig sammelnder Liebhaber von Büchern, verschaffte er sich ihre Werke
in den Originalausgaben.

Sein grösstes Glück war sein kleiner Knabe, den er vierjährig zurückliess. Unermüdlich war er
mit ihm beschäftigt. Wer hätte aufzeichnen können, wie er ihm an Bilderbüchern das Verständnis der
anschaulichen Welt eröffnete, hätte ein inhaltsreiches pädagogisches Buch geschaffen.

»Ein männlich redlicher Charakter ohne jedes Falsch, voll echter Vornehmheit und Bescheiden-
heit, die ihn auch da zurücktreten Hess, wo er das bündigste Recht, sich zu zeigen, hatte, Forscher-
und Künstlernatur zugleich (denn er wusste mit mehr als dilettantischer Kenntnis den Stift zu hand-
haben), im Umgange der anregendste und frohgemutheste Freund, dessen aus dem Innern der Seele
dringende Heiterkeit schlimme Erfahrungen und physisches Leiden der letzten Jahre nie ganz zu ver-
dunkeln vermocht haben, so wird er stets im Gedächtnisse der nicht allzu Zahlreichen leben, die
die Freude hatten, ihm menschlich nahegetreten zu sein.« Mit diesen schönen und gerechten Worten
schildert ihn Julius v. Schlosser. Nur, scheint mir, wird man ergänzend stärker betonen müssen, dass
über die sonnige Heiterkeit seines Erscheinens oft von innen her ein Schatten fiel. Die harte Jugend
unter dem geistreichen aber seltsamen Vater, die mutterlose Kindheit hatte unverwischliche Spuren
zurückgelassen. Seine Zurückhaltung wirkte oft befremdend. Morelli, den er wie Keiner verehrte,
dessen begeisterter Apostel er geworden ist, hat er niemals persönlich aufgesucht, ihm nicht einmal
geschrieben. Edel wie er war, fiel er mit trüben Stimmungen, die sich zuweilen wie ein nieder-
sinkender Rauch auf ihn legten, Niemandem beschwerlich, aber selbst machten sie ihm das Leben schwer.

Seit dem Sommer des Jahres 1899 hatte sich ein Herzleiden bei ihm ausgebildet. Sein offenes,
blühendes Gesicht nahm einen leidenden Ausdruck an, er musste verschiedene Male Vorlesungen ab-
brechen, weil ihm der Athem fehlte. Doch gingen diese Anfälle meist schnell vorüber. Im Spätwinter
1900 befiel ihn eine Influenza, mit Pneumonie verbunden. Er erholte sich wieder, nahm Urlaub,
brachte einen Monat mit Frau und Kind in dem Elternhause seiner Frau in Horn zu, kehrte an-
scheinend gesund und voll Fröhlichkeit nach Wien zurück, mit der Empfindung, dass er sich lange
schon nicht so wohl befunden hätte. An einem Mittwoch arbeitete er noch im Museum, am Donners-
tage begann das Leiden sich von Neuem zu äussern, am Samstage den 17. März verschied er, vier-
zehn Tage vor seinem fünfunddreissigsten Geburtstage. Für die Seinen, für seine Freunde, für die
Wissenschaft ein unersetzlicher Verlust. Im Friedhofe der Stadt Horn liegt er begraben.

XXII.
 
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