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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Wickhoff, Franz: Giulio Romano und das classische Alterthum
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0186
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i8o

Hermann Dollmayr.

Und die schon erwähnte »cassa piena di disegni, di cartoni, di libri, di scritture«.1 Giulio war
eben auch von der allgemeinen Leidenschaft zu sammeln ergriffen und trug ihr, so gut es eben ging,
Rechnung. Wir wissen dies auch aus Vasari, der bei Gelegenheit, wo er von Giulios Haus in Mantua
spricht, erzählt, dass dieser darinnen viele römische Alterthümer, Geschenke des Herzogs, aufstellte,
dem er dagegen verschiedene der seinigen gab.2 In die Nische der Aussenseite aber setzte er eine Statue
des Mercur von griechischer Arbeit, die er aus Rom mitgebracht hatte. Besonders war er ein feiner
Kenner von Gemmen und Medaillen, auf die er viel Zeit und Geld verwendete. Und Vasari sagt, er
hatte volle Kenntnis der Sache und legte, obwohl immer mit grossen Dingen beschäftigt, doch bisweilen
auch an solche Kleinigkeiten Hand, um seinem Gebieter oder seinen Freunden Dienste zu erweisen.3

Noch in der Zeit, da er in Rom weilte, bediente sich seines Unheiles der Graf Castiglione bei
Ankäufen von Kunstgegenständen, wie wir aus dessen Briefen ersehen. Dieser hohe Kunstfreund hatte
nach demTode Raffaels seine Liebe von dem Meister auf die Schüler übertragen, besonders auf Giulio
Romano, den er sehr schätzte. Ein Schreiben Castigliones an Andrea Piperario vom 12. April 1523 4
zeigt uns dies bei Gelegenheit eines Ankaufes von Antiken. Francesco Penni hatte ihm nämlich von
solchen geschrieben, die zum Preise von 10 Ducaten zu haben wären; Giulios Urtheil über sie lautete
aber nicht günstig und so sollte sie Andrea ungekauft lassen; vielmehr sollte er trachten, eine Camee,
von der ihm Giulio eine so begeisterte Schilderung gemacht hatte, »dass ihm der Mund darnach
wässere«, zu bekommen. Zwar sei der Preis von 50 Ducaten sehr hoch, doch würde er immerhin
3o Ducaten schon wagen, entschlossen, für dieses Jahr keinen Ankauf mehr zu machen, ausser es böte
sich, wie er als echter Sammler gleich sich verbessert, eine ausserordentliche Gelegenheit, was den Preis
oder die Schönheit der Objecte beträfe, dar. Die Camee kam wirklich in Castigliones Besitz, wie
aus einem seiner Briefe vom 29. Juli 1523 5 hervorgeht; Giulio hatte sie gekauft und ihm gesendet.
Sie stellte den Kopf des Sokrates dar und erregte bei dem Conte grosse Freude.

Diesen Beziehungen zu Castiglione werden wir auch zum grossen Theile Giulios Berufung
nach Mantua zuzuschreiben haben. Marchese Federigo Gonzaga hatte nämlich dem Conte, seinem
Gesandten, geschrieben, er solle ihm einen Baumeister zur Erbauung seines Palastes und anderer in der
Stadt auszuführender Arbeiten senden, und Hess dabei durchschimmern, dass ihm besonders Giulio
willkommen wäre. Der Graf machte diesem das Angebot und wusste es mit Bitten und Versprechungen
dahin zu bringen, dass er, da die Aufträge in Rom ohnehin beendet waren, zusagte, falls der Papst ihm
die Erlaubnis ertheile. Diese erfolgte und, als Castiglione sich nach Mantua begab, um sich von dort
im Auftrage des Papstes zum Kaiser zu verfügen, ging Giulio mit ihm.6

In Mantua war die grosse Bewegung der Geister, welche sich seit dem Wiederaufleben des clas-
sischen Alterthums ganz Italiens bemächtigt hatte, nicht spurlos vorübergegangen. Unter der Regierung
des kriegsberühmten Giovan Francesco Gonzaga war der gelehrte Vittorino da Feltre dort ein-
gezogen, um den Prinzen neben der fürstlichen auch eine lateinisch gelehrte Erziehung zu ertheilen.
Seine Thätigkeit erstreckte sich jedoch bald nicht mehr auf die Prinzenerziehung allein, der Ruf seiner
Gelehrsamkeit war weit über die Grenzen Italiens hinausgedrungen und von allen Seiten, selbst aus
weiter Ferne, strömten Lernbegierige in seine Schule, die, vom Markgrafen kräftigst unterstützt, bald
den berühmtesten Universitäten an Ruf nicht nachstand.

Dass ein solcher Lehrer in den Söhnen und Töchtern des markgräflichen Hauses nicht blos Nei-
gung und Interesse für Kunst und Wissenschaft erweckte sondern auch das aufrichtige Verlangen, diese
mit allen Mitteln zu fördern, ist natürlich. Vor allem aber liessen der Marchese Francesco Gonzaga
und seine von der Mit- und Nachwelt so gefeierte Gemahlin Isabella von Este den Künstlern und Ge-
lehrten grosse Förderung angedeihen. Den Markgrafen trieb zwar seine Soldatennatur viel auf den
Schlachtfeldern Italiens herum, umsomehr jedoch wandte Isabella ihre Aufmerksamkeit den Künsten
des Friedens zu.

1 II saggiatore I, 67fr. 2 Vasari V, 549. 3 Vasari V, 551. 4 Lettere LXIII, p. 105, t. I.

5 Lettere LXV, p. 108, t. I. 6 Vasari V, 535.
 
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