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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Wickhoff, Franz: Die Bilder weiblicher Halbfiguren aus der Zeit und Umgebung Franz I. von Frankreich
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0244
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238

Franz WickhofJ.

will, sie zu erzählen. Ihre Tochter Parlamente sagt ihr aber, weil die Geschichte in so alter
Sprache geschrieben sei, glaube sie, dass sie ausser ihnen beiden niemand gelesen habe. Sehen wir
von den fingierten Namen ab, so heisst das, dass Louise von Savoyen und die Königin von Navarra
in den alten Fabliaux zu lesen verstanden.

Man wird sagen, die Königin und ihre Mutter bilden Ausnahmen; das ist richtig; aber sie sind
eben die Frauen, die den Hof Franz I. geschaffen haben und die ihm ihren Geist aufdrückten.

Wir können von diesen Damen und den Gedichten über
sie und den Bildern von ihnen nicht scheiden, ohne eines Mannes
zu gedenken, der zwar nicht zu den ersten seiner Zeit gehörte,
der aber als Dichter und Maler und zugleich als begeisterter An-
hänger der Königin von Navarra eine repräsentative Gestalt
dieses Kreises ist. Es ist Nicolas Denisot. Er ist 1515 geboren
und r559 gestorben. Ronsard besass ein Bild seiner Geliebten,
von Denisots Hand und Ronsards Commentator Muret nennt
ihn einen Mann von besonderer Grazie, ausgezeichnet in der
Kunst der Malerei. Er war lange in England gewesen und hatte
dort die drei Töchter des Lord Seymour unterrichtet. Er
muss sie so sehr mit Liebe zu der grössten Dichterin Frankreichs
erfüllt haben, dass sie ihr nach ihrem Tode ein Grabmal in Form
lateinischer Distichen setzten. Denisot und andere Freunde der
verstorbenen Königin übersetzten nun diese Distichen in mehrere
Sprachen, gaben von jedem eine griechische, eine italienische
und mehrere französische Versionen und druckten diese Ueber-
setzungen mit dem Text zusammen als ein Gegengeschenk
Fig. 5. Margaretha von Valois von Denisot. ab.1 Ein Holzschnitt mit einem Portrait der Königin (Fig. 5)

ist beigegeben nach einer Zeichnung Denisots, wie es die Unter-
schrift beweist, die den Dichter mit seinem Pseudonym Comes Alsinous nennt.2

Ein paar Beispiele mögen genügen, um die Art dieser Gedichte zu veranschaulichen. Anna, die
unter ihren Schwestern immer die besten Einfälle hat, spricht zu dem Porträtisten der Verstorbenen:

Desinete artißces celare hanc, pingere: pinxit,
Celavit scriptis se satis illa suis.

Denisot übersetzt:

Cesser Artisans bien appris
Peindre ou graver sa forme feinte:
Elle meme par se escris
S'est asse's engraue'e et peinte.

Ein anderes wieder von Lady Anna:

Terrestris scripsit nobis sacra carmina, nam nunc
Coelestis CHRISTO carmina sacra canit.

1 Le tombeau de Marguerite de Valois, Royne de Navarre. Faict premierement en Distiques Latins par les trois
ScEurs Princesses en Angleterre. Depuis traduictz en Grec, Italic. & Francois par plusieurs des excellentz Pontes de la Fräce,
Paris 1551.

2 Auf dem Verso des Titelblattes das Portrait der Königin mit folgenden Versen:

Rob. Hayus in iconem Margaritae
Reginae Navarrorum. Ad lectorem.
Nulla ut parte sui perire posset
Margareta: Comes reduxit illam
De busto Alsinous, tibique lector
Ut fruare dedit: nihil deesse
Praeter verba potest: roga libellos,
Uli pro Domina sua loquentur.
 
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