Die Bilder weiblicher Halbfiguren aus der Zeit und Umgebung Franz I. von Frankreich.
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als kleines Mädchen. Wir geben hier auch ein Bild aus Chantilly (Fig. 10), das die Königin von Na-
varra conform mit diesen Zeichnungen darstellt, von denen eine auch der Vorzeichnung des Denisot
für den mitgetheilten Holzschnitt (Fig. 5) zu Grunde lag. Es ist in der Bildung der Gesichtszüge trotz
des wie es scheint, nicht misslungenen Versuches, die prononcierten Züge der Königin wiederzugeben,
doch in Bezug auf ihre Zeichnung ganz übereinstimmend mit den Halbfiguren. Durch diese Beispiele
sollte nur darauf hingewiesen werden, dass die Halbfiguren in jene Zeichnungen und Bilder auslaufen,
die durch Zuweisung an die Schule oder Richtung der Clouets allgemein als französisch anerkannt
werden, und sie müssen dort eingereiht werden, weil sie ausnahmslos Personen des französischen Hofes
darstellen.
Noch ein anderes Portrait der Königin von Navarra gibt uns Anlass zur chronologischen Um-
grenzung unserer Bildergruppe. Es ist ihr schönes lebensgrosses Portrait aus der Zeit ihrer Jugend, wohl
Fig. 8. Kopf aus dem Chamfleury des Geoffroy Torry. Fig. 9. Köpfe aus dem Chamfleury des Geoffroi Torry.
bald nach ihrer ersten Verheiratung mit dem Herzog von Alencon. Ich bringe es nach einer mir freund-
lichst von Dr. H. O. Forbes besorgten Photographie, die das feine prächtige Bild vortrefflich wieder-
gibt (Fig. 1). Nur ist leider der etwas in den Grund versunkene, schief auf das Haupt gestülpte Federhut
nicht recht sichtbar. Es stimmt in Auffassung und Durchführung mit dem berühmten Jugendportrait
Franz I. im Louvre (Villot Nr. 109, photographiert von Braun), im goldgestickten weissen Atlaswams mit
schwarzen Sammtstreifen. Nur das ungewöhnliche Format mag es bisher verschuldet haben, dass die
Zusammengehörigkeit dieser beiden Bilder mit den weiblichen Halbfiguren nicht erkannt wurde. Sie
sind freilich älter als die Masse dieser Bilder. Aber mit den besten und ältesten darunter, besonders
mit dem Altar in Turin, stimmen sie völlig überein. Der zarte weisse Fleischton, die Zeichnung von
Brauenbogen, Augen und Mund, die feinen Hände, die detaillierte Behandlung von Schmuckwerk und
Kleiderstoffen, besonders die Art, wie das Sammtleibchen gemalt wurde, ist zu beachten. Die schmalen
Augen befremden zuerst; es sind das eben die individuellen Augen dieses sich sehr ähnelnden Ge-
schwisterpaares. Dagegen beachte man, wie der Künstler der hohen Dame die Mittheilung ihrer so
charakteristisch gebogenen Nase, die wir eben aus dem Portrait in Chantilly kennen lernten, ersparen
und sie durch den geraden Strich, den er seinen Idealfiguren gibt, bemänteln will. Aber schon bei dem
dritten Portrait dieser Art, dem Männerportrait in Pest, auf das ich schon hinwies, sind die Augen
ganz wie bei dem Johannes auf der Kreuzigung in Turin-gezeichnet und zeigen, wie wenig eigentlich
dieser Künstler zu individualisieren vermochte.
Der Altar in Turin ist ein Antwerpner Bild. Es war mir immer unverständlich gewesen,
wie man auf einen Zusammenhang des Meisters der weiblichen Halbfiguren mit Bernhard von Orley
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als kleines Mädchen. Wir geben hier auch ein Bild aus Chantilly (Fig. 10), das die Königin von Na-
varra conform mit diesen Zeichnungen darstellt, von denen eine auch der Vorzeichnung des Denisot
für den mitgetheilten Holzschnitt (Fig. 5) zu Grunde lag. Es ist in der Bildung der Gesichtszüge trotz
des wie es scheint, nicht misslungenen Versuches, die prononcierten Züge der Königin wiederzugeben,
doch in Bezug auf ihre Zeichnung ganz übereinstimmend mit den Halbfiguren. Durch diese Beispiele
sollte nur darauf hingewiesen werden, dass die Halbfiguren in jene Zeichnungen und Bilder auslaufen,
die durch Zuweisung an die Schule oder Richtung der Clouets allgemein als französisch anerkannt
werden, und sie müssen dort eingereiht werden, weil sie ausnahmslos Personen des französischen Hofes
darstellen.
Noch ein anderes Portrait der Königin von Navarra gibt uns Anlass zur chronologischen Um-
grenzung unserer Bildergruppe. Es ist ihr schönes lebensgrosses Portrait aus der Zeit ihrer Jugend, wohl
Fig. 8. Kopf aus dem Chamfleury des Geoffroy Torry. Fig. 9. Köpfe aus dem Chamfleury des Geoffroi Torry.
bald nach ihrer ersten Verheiratung mit dem Herzog von Alencon. Ich bringe es nach einer mir freund-
lichst von Dr. H. O. Forbes besorgten Photographie, die das feine prächtige Bild vortrefflich wieder-
gibt (Fig. 1). Nur ist leider der etwas in den Grund versunkene, schief auf das Haupt gestülpte Federhut
nicht recht sichtbar. Es stimmt in Auffassung und Durchführung mit dem berühmten Jugendportrait
Franz I. im Louvre (Villot Nr. 109, photographiert von Braun), im goldgestickten weissen Atlaswams mit
schwarzen Sammtstreifen. Nur das ungewöhnliche Format mag es bisher verschuldet haben, dass die
Zusammengehörigkeit dieser beiden Bilder mit den weiblichen Halbfiguren nicht erkannt wurde. Sie
sind freilich älter als die Masse dieser Bilder. Aber mit den besten und ältesten darunter, besonders
mit dem Altar in Turin, stimmen sie völlig überein. Der zarte weisse Fleischton, die Zeichnung von
Brauenbogen, Augen und Mund, die feinen Hände, die detaillierte Behandlung von Schmuckwerk und
Kleiderstoffen, besonders die Art, wie das Sammtleibchen gemalt wurde, ist zu beachten. Die schmalen
Augen befremden zuerst; es sind das eben die individuellen Augen dieses sich sehr ähnelnden Ge-
schwisterpaares. Dagegen beachte man, wie der Künstler der hohen Dame die Mittheilung ihrer so
charakteristisch gebogenen Nase, die wir eben aus dem Portrait in Chantilly kennen lernten, ersparen
und sie durch den geraden Strich, den er seinen Idealfiguren gibt, bemänteln will. Aber schon bei dem
dritten Portrait dieser Art, dem Männerportrait in Pest, auf das ich schon hinwies, sind die Augen
ganz wie bei dem Johannes auf der Kreuzigung in Turin-gezeichnet und zeigen, wie wenig eigentlich
dieser Künstler zu individualisieren vermochte.
Der Altar in Turin ist ein Antwerpner Bild. Es war mir immer unverständlich gewesen,
wie man auf einen Zusammenhang des Meisters der weiblichen Halbfiguren mit Bernhard von Orley