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Franz Wickhoff.
hinweisen konnte. Es ist ein Künstler, der unter dem übermächtigen Einflüsse des Quentin Matsys
aufwuchs im Wetteifer mit Herri met de Bles und Patenier.
Das Colorit stammt von Quentin, die bizarr gekleideten und in den älteren Bildern etwas
schraubenartig gedrehten Figuren weisen auf Herri met de Bles, während der Künstler sich in
seinen Landschaften als ein glücklicher Nebenbuhler des Patenier erweist. Mit ihren realistischen
Mittelgründen und phantastischen Burghügeln sind sie schöne Vertreter der Landschaft der Antwerpner
Schule.
Wer würde sich nicht der Stelle bei Guicciardini erinnern, dass Abgesandte des Königs Franz
in Antwerpen einen guten Maler gesucht hätten und dass der Gewählte dann an den französischen
Hof gezogen wäre und dort zur grössten Zufriedenheit den König, die Königin und andere hohe Per-
sonen porträtiert habe. Guicciardini sagt,
das wäre der ältere Josse van Cleve ge-
wesen. Ich muss sagen, dass mich diese Stelle
lange beschäftigt oder, soll ich sagen, belä-
stigt hat. Denn erstens kann kein Zweifel sein,
dass der Antwerpner am Hofe König Franzens,
der dort die Hofgesellschaft porträtierte, unser
Meister der weiblichen Halbfiguren
war; aber zweitens kann er der ältere Josse
van Cleve nicht gewesen sein, weil Josse
van Cleve dauernd in Antwerpen nachzu-
weisen ist, nur zu vorübergehendem Aufent-
halte am französischen Hofe gewesen sein
könnte, während der Meister der weiblichen
Halbfiguren sich in Frankreich festsetzt, dort
eine Schule gründet und dort noch gegen
Ende des Jahrhunderts Maler wie Frahcois
Clou et und Antoine Caron in seiner Weise
malen.
Eine glückliche Emendation Alfreds v.
Wurzbach 1 führt uns auf die Lösung dieser
Schwierigkeit. Er sagt: »Davon (d. h. von
Fig. 10. Margaretha von Valois aus der Schule des Jean Clouet der Anwesenheit Josses van Cleve am franzö-
in Chantilly. sischen Hofe) hätte doch van Mander auch
(Mit besonderer Erlaubnis von Braun in Dornach reproduciert.) _
noch etwas wissen müssen; aber er hütet sich
wohl, uns eine solche plumpe Lüge aufzutischen. Auch in Frankreich müsste man davon etwas wissen
und ein Maler, der an den Hof des Königs Franz I. berufen wurde, dort den König und so viele Perso-
nen seines Hofstaates porträtiert hat, ist doch keine Person, die aus der Geschichte verschwindet, ohne
nicht wenigstens eine Spur zurückzulassen. Guicciardini hat aber etwas gehört von einem Antwerpner
Maler van Cleve, der Portraits malte, und von einem anderen Niederländer Maler Clove am Hofe
Franz' I., der auch Portraits malte, und vermischt den Sotte-Cleve mit den Malern Jean Clouet oder
Clovet, die (in Brüssel geboren) am Hofe Franz' I. und Franz' Il.'peintres du roi gewesen und den
König und zahlreiche Vornehme seines Hofes wirklich gemalt haben. Clovet oder Clouet hiess der
Mann, dessen Name für den Italiener Guicciardini wie Cleve lauten mochte, und diesem ist dieses Qui
pro quo zu verzeihen.« Karl Justi hat diese Emendation in der schönen Arbeit über den jüngeren
Josse van Cleve gebilligt.2 Sie ist ebenso einfach als richtig. Für unsere Frage beseitigt sie alle
1 Zeitschrift für bildende Kunst, N. F. V, S. 248.
2 Jahrbuch der kgL preussischen Kunstsammlungen XVI (1895), S. 3i.
Franz Wickhoff.
hinweisen konnte. Es ist ein Künstler, der unter dem übermächtigen Einflüsse des Quentin Matsys
aufwuchs im Wetteifer mit Herri met de Bles und Patenier.
Das Colorit stammt von Quentin, die bizarr gekleideten und in den älteren Bildern etwas
schraubenartig gedrehten Figuren weisen auf Herri met de Bles, während der Künstler sich in
seinen Landschaften als ein glücklicher Nebenbuhler des Patenier erweist. Mit ihren realistischen
Mittelgründen und phantastischen Burghügeln sind sie schöne Vertreter der Landschaft der Antwerpner
Schule.
Wer würde sich nicht der Stelle bei Guicciardini erinnern, dass Abgesandte des Königs Franz
in Antwerpen einen guten Maler gesucht hätten und dass der Gewählte dann an den französischen
Hof gezogen wäre und dort zur grössten Zufriedenheit den König, die Königin und andere hohe Per-
sonen porträtiert habe. Guicciardini sagt,
das wäre der ältere Josse van Cleve ge-
wesen. Ich muss sagen, dass mich diese Stelle
lange beschäftigt oder, soll ich sagen, belä-
stigt hat. Denn erstens kann kein Zweifel sein,
dass der Antwerpner am Hofe König Franzens,
der dort die Hofgesellschaft porträtierte, unser
Meister der weiblichen Halbfiguren
war; aber zweitens kann er der ältere Josse
van Cleve nicht gewesen sein, weil Josse
van Cleve dauernd in Antwerpen nachzu-
weisen ist, nur zu vorübergehendem Aufent-
halte am französischen Hofe gewesen sein
könnte, während der Meister der weiblichen
Halbfiguren sich in Frankreich festsetzt, dort
eine Schule gründet und dort noch gegen
Ende des Jahrhunderts Maler wie Frahcois
Clou et und Antoine Caron in seiner Weise
malen.
Eine glückliche Emendation Alfreds v.
Wurzbach 1 führt uns auf die Lösung dieser
Schwierigkeit. Er sagt: »Davon (d. h. von
Fig. 10. Margaretha von Valois aus der Schule des Jean Clouet der Anwesenheit Josses van Cleve am franzö-
in Chantilly. sischen Hofe) hätte doch van Mander auch
(Mit besonderer Erlaubnis von Braun in Dornach reproduciert.) _
noch etwas wissen müssen; aber er hütet sich
wohl, uns eine solche plumpe Lüge aufzutischen. Auch in Frankreich müsste man davon etwas wissen
und ein Maler, der an den Hof des Königs Franz I. berufen wurde, dort den König und so viele Perso-
nen seines Hofstaates porträtiert hat, ist doch keine Person, die aus der Geschichte verschwindet, ohne
nicht wenigstens eine Spur zurückzulassen. Guicciardini hat aber etwas gehört von einem Antwerpner
Maler van Cleve, der Portraits malte, und von einem anderen Niederländer Maler Clove am Hofe
Franz' I., der auch Portraits malte, und vermischt den Sotte-Cleve mit den Malern Jean Clouet oder
Clovet, die (in Brüssel geboren) am Hofe Franz' I. und Franz' Il.'peintres du roi gewesen und den
König und zahlreiche Vornehme seines Hofes wirklich gemalt haben. Clovet oder Clouet hiess der
Mann, dessen Name für den Italiener Guicciardini wie Cleve lauten mochte, und diesem ist dieses Qui
pro quo zu verzeihen.« Karl Justi hat diese Emendation in der schönen Arbeit über den jüngeren
Josse van Cleve gebilligt.2 Sie ist ebenso einfach als richtig. Für unsere Frage beseitigt sie alle
1 Zeitschrift für bildende Kunst, N. F. V, S. 248.
2 Jahrbuch der kgL preussischen Kunstsammlungen XVI (1895), S. 3i.