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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Wickhoff, Franz: Die Bilder weiblicher Halbfiguren aus der Zeit und Umgebung Franz I. von Frankreich
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0250
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Franz Wickhoff'.

Johannes daselbst. Schon in diesen heiligen Familien lässt sich bemerken, dass die jugendliche
Uebergelenkigkeit der Figuren abnimmt, die Bewegungen gelassener, die Empfindungen feiner werden,
bis endlich auf dem Triptychon in Strassburg die phantastische Romantik der Landschaft ganz ver-
schwunden ist, der Hintergrund wohl noch bergig abschliesst, aber alles einfach und der Natur ent-
sprechend gebildet ist. Auch die Trachten sind nun nicht mehr so abenteuerlich. Die Frauen werden
noch zarter; sie strecken den Hals vor, die früher noch etwas energischere Zeichnung wird nun süss
und die Gesichter werden zarter und allgemeiner. In diese Periode wird die grösste Mehrzahl der Musi-
kantinnen, Leserinnen, Briefschreiberinnen etc. gehören, die dem Künstler seinen Namen gegeben haben.

Schon die Bilder, die wir bis-
her aufgeführt haben, sind zwar
alle aus einer Werkstatt, aber nicht
alle von einer Hand. Die »An-
betung« in Nürnberg ist viel schwä-
cher als wie der Altar in Turin, die
Portraits des Königs von Frank-
reich und der Herzogin von Alencon,
das Liechtenstein'sche Portrait und
die schönen heiligen Familien. Den
Schüler charakterisiert die schlechte
Zeichnung der Hände, die viel zu
klein sind, und die zu kurz gerate-
nen Arme. Von ihm ist gewiss auch
das Bild aus der Sammlung Ruhl
bei den Vieweg'schen Erben in
Braunschweig und dieselben Fehler
haben auch die beiden Portraits in
Wien, Mann und Frau (Tafel XXXVII
und Fig. n), von denen freilich das
männliche Portrait unrettbar ver-
dorben ist. Nach der Tracht seiner
Portraits und nach der phantasti-
schen Landschaft und phantastischen
Gewandung gehören diese Schüler-
arbeiten in die erste Periode des
Meisters, in der er den Altar in
Turin arbeitete. Ich will nur daran
erinnern, dass Jean Clouet einen
Bruder hatte, der Maler war und
1529 für die Königin Margaretha
arbeitete, ohne behaupten zu wollen, dass diese Bilder von ihm herrühren müssten.

Gewiss rührt die grosse Anzahl der weiblichen Halbfiguren von dem Hauptmeister her, den ich
für Jean Clouet erkläre, von unseren Abbildungen ohne Zweifel die Halbfigur im Louvre (Fig. 2), die
Lautenspielerin in Rotterdam (Tafel XXXIV) und das Dreidamenbild in Petersburg (Tafel XXXI). Da-
zu gehören noch z. B. — denn ich will hier nur die Bilder erwähnen, die mir in Photographien vor-
liegen, — die glänzende Halbfigur bei Pacully in Paris und die Spinettspielerin in der Raszynski'schen
Sammlung in Berlin.

Aber schon das andere Dreidamenbild bei Harrach in Wien (Tafel XXXII), woran sich das Bild
bei Czartoryski (Fig. 4) schliesst, macht bei aller Aehnlichkeit doch einen anderen Eindruck. Während
die Damen des ersten Meisters heiter, frisch und lustig sind, machen die anderen einen gedrückten,

Fig. 11.

Männliches Portrait aus der Schule des Jean Clouet
in der kaiserlichen Galerie in Wien.
 
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