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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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List, Camillo: Wendelin Boeheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0260
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Camillo List. Wendelin Boeheim.

ebenso »Die Kriegsausrüstung in den Städten und festen Plätzen in Nieder-Oesterreich und im west-
lichen Ungarn unter Kaiser Max I.« (Berichte des Alterthumsvereines, Bd. XXVIII).

Die Wirksamkeit Boeheims erstreckte sich aber nicht allein auf das Gebiet der Waffenkunde und
des Kriegswesens. Begeistert für sein engeres Vaterland und dessen Kunstschaffen war er stets bereit,
sein Wissen zur Erforschung und Erhaltung vaterländischer Kunstdenkmale zur Verfügung zu stellen.
Dies wurde auch von maassgebender Seite dadurch anerkannt, dass er zum Conservator und nach Ilgs
Tode zum Mitglied der k. k. Central-Commission ernannt wurde.

Als im Jahre 1896 die ungarische Nation die Jahrtausendfeier in Pest durch eine glänzende Aus-
stellung beging, war Boeheim von Seiten des Oberstkämmereramtes als dessen Vertreter dazu dele-
giert worden, die dorthin entliehenen Kunstschätze aus dem Hofmuseum zu bewahren und zu beauf-
sichtigen. Auch hier griff er mit fördernder Hand ein und die ungarische Regierung lohnte ihm dieses
Vorgehen dadurch, dass er auf ihren Antrag mit dem Orden der eisernen Krone III. Classe ausgezeichnet
wurde.

Noch wären viele seiner literarischen Arbeiten zu nennen. Doch es würde zu weit führen, wollte
man sie alle aufzählen; denn zu gross ist die Anzahl seiner Feuilletons in der »Presse«, seiner Aufsätze
in den »Mittheilungen des österreichischen Museums« und anderen Fachblättern. Es seien hier nur
noch einige erwähnt. Vor Allem eine kurze historische Darstellung des Lebens der »Philippine Welser«,
ein kleines Büchlein, welches, reich illustriert, die Lebensschicksale dieser edlen Frau wiedererzählt;
ferner eine Untersuchung über den »Corvinusbecher in Wiener-Neustadt« im XXVIII. Bande der Be-
richte des Alterthumsvereines, »Kleine Beiträge zur Sittengeschichte des zünftigen Handwerkes in
Nieder-Oesterreich« u. a. m.

Sein altes Leiden begann im Frühjahre igoo noch mehr hervorzutreten, zumal da ihn im
Winter 1899/1900 eine tückische Influenza heimsuchte. Wenn auch der Sommer wieder eine kleine
Erholung gebracht hatte, so war diese doch nicht so gründlich, dass im eintretenden Herbste der
Kräfteverfall abzuhalten war, dem er am 1. November zum Opfer fiel.

Wer je Gelegenheit hatte, Boeheim als Menschen im Kreise seiner Freunde zu beobachten, wird
die Wahrnehmung gemacht haben, dass er ein aufrichtiger Freund war, der auch nicht zurückschreckte,
einen wohlgemeinten Tadel auszusprechen, den er oft in humorvoller Weise zum Ausdrucke brachte.
Er war ein hinlänglich starker Charakter, um ein begangenes Unrecht einzugestehen, und er dünkte
sich nicht zu erhaben, ein Wort der Entschuldigung zu sagen. Als Beamter war er ein liebenswürdiger
College und ein idealer Vorgesetzter.

Seine beste Würdigung ist die, dass erst nach seinem Hingange empfunden wird, was er gewesen
ist. Mit ihm verliert das Museum eine hervorragende Kraft und seine näheren Collegen einen guten,
wahrhaft väterlichen Freund.

Camillo List.
 
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