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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 23.1902

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I. Theil: Abhandlungen
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Meder, Joseph: Neue Beiträge zur Dürer-Forschung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5950#0066
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6o

Joseph Meder.

die Brüstung gesetzten Hand eine grosse Verwandtschaft mit der Haltung Jakob Hellers im Haus-
altärchen.

Vor Allem aber finden wir in dem Christuskopfe bereits jenen Typus, den Dürer, abweichend
von der Schongauer-Tradition, sich nach und nach herausbildete, bis er jene ideale Darstellung fand,
die wir in dem grossen Holzschnitte bewundern. Doch bildet das dornengekrönte Haupt Christi auf
unserem kleinen Triptychon noch eine Art Uebergangsform, welche die Mitte hält zwischen den Typen
vor 1500 und jenen nach 1510. Auf den Christusköpfen der ersten Periode ist der Bart stark zwei-
theilig und länger, so dass Antlitz und Bart sich leicht von einem Rechteck umschliessen lassen (vgl.
Fig. 3); in jenen seiner letzten Periode, wie z. B. in dem Veroneikon der kleinen Holzschnittpassion
von 1510 oder in dem Stiche von 1513, dann in dem Veroneikon des Maximilianischen Gebetbuches
von 1515, verkürzen sich beide Barttheile und vereinigen sich zu einer gemeinsamen Spitze (vgl.
Fig. 4). Diese Barttracht gibt uns auch eine gewisse Zeitgrenze für die Datierung des Triptychons,
nämlich 1500—1510. Berücksichtigen wir jedoch, dass sich Dürer von 1506—1507 in Venedig auf-
hielt, 1508 und 1509 an dem grossen Helleraltare arbeitete, während welcher Zeit wir durch den vor-
handenen Briefwechsel mit Heller genau darüber informiert sind, dass Dürer mit dem fraglichen Tri-
ptychon nicht beschäftigt sein konnte, so bleibt nur noch — ungefähr — die Zeitspanne 1500—1505
übrig. Damit stimmt auch das Costüm der beiden Heller-Figuren, besonders jenes des Jakob Heller
mit dem quergestreiften, noch stark ausgeschnittenen Leibchen, über welches sich der Mantel erst tief
unten schliesst; damit auch noch die Mode, die Haare bis in den Nacken reichend zu tragen.

Diese frühen Beziehungen zwischen Dürer und dem kunstsinnigen Frankfurter Kaufherrn erfahren
durch jene weitere Nummer unseres Inventares eine Bestätigung, wo eine allererste Skizze zu dem
Mariahimmelfahrtsbilde aufgeführt wird, welche die Jahreszahl 1503 getragen haben soll, so dass diese
für die Dürer-Forschung neuen Gesichtspunkte sich aus einer und derselben Quelle richtig ergänzen.
Die Jahreszahl 1503 bestätigt nicht blos die Zeit der Entstehung des kleinen Altärchens sondern ge-
stattet auch die weitere Annahme, dass Heller vielleicht gerade auf Grund dieser ersten Arbeit, welche
ihm Dürers Können offenbarte, gleichzeitig den Auftrag zu dem grossen Werke für das Dominicaner-
kloster in Frankfurt ertheilt habe.

Die Fragen, wie es Dürer ermöglicht wurde, die beiden Eheleute zu porträtieren, ob dies in
Nürnberg oder Frankfurt geschah, lassen sich in Anbetracht des Dunkels, das über die Lebensjahre
Dürers von 1500 bis zu seiner zweiten italienischen Reise noch herrscht, heute nicht beantworten,
vielleicht ebensowenig, als wir in der Lage sind, anzugeben, auf welche Weise die beiden knieenden
Porträte auf dem grossen Helleraltare zustande kamen. Thausing nahm für das letztere Werk an, dass
dem Bildnisse Hellers eine gelungene, von Dürer gleich bei der Bestellung des Altares in Nürnberg
aufgenommene Zeichnung zugrunde liege, während das runde Köpfchen der Frau auf dem Gegenstück
mehr ein ideales oder willkürlich angenommenes darstelle.1 Dürfen wir aber Dürer eine derartige
Ungenauigkeit zumuthen? Die neun Briefe Dürers an Heller, welche genau über jeden Fortschritt der
Arbeit, aber auch über alle Schwierigkeiten berichten, erwähnen leider nicht ein Wort über die Porträte.

II. Das Crucifix.

Heller führt in seinem Verzeichnisse unter §. 40: »Plastische Arbeiten« nicht weniger als einige
50 Stück der mannigfachsten Technik an, welche Albrecht Dürer zu verschiedenen Zeiten zugeschrieben
wurden, wiewohl wir heute so ziemlich sicher annehmen können, dass kaum der allergeringste Theil
von ihm herrühre. Thausing befasste sich bereits in eingehender Weise mit diesem Thema und liess
von Dürers plastischen Arbeiten, aber nicht ohne leisen Zweifel, nur das Silberrelief2 aus dem Jahre
1509, ein nacktes Mädchen von rückwärts gesehen, und aus seinen Versuchen in der Glasmalerei das

1 Thausing, Der Heller'sche Altar, Zs. f. b. K. VI, S. 137.

2 Thausing II, S. 45 u. 55.
 
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