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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 23.1902

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I. Theil: Abhandlungen
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Riegl, Alois: Das holländische Gruppenporträt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5950#0129
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Das holländische Gruppenporträt.

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Fig. 19. Schützenstück eines unbekannten Meisters vom Jahre 1554.
Amsterdam, Rathhaus.

Affectes an Stelle der Aufmerksamkeit, der selbstlosen Beobachtung, worein bisher ausschliesslich der
psychische Charakter dieser Porträtfiguren gelegt worden war; zweitens der Wechselverkehr von zwei
Lebewesen untereinander. Denn obgleich nur eines davon ein Schütze, das andere ein Vogel ist, so
erscheint doch ganz neu und für ein Gruppenporträt unerhört, dass der Schütze seine Aufmerksamkeit
überhaupt einem Dinge innerhalb des Bildes zuwendet, anstatt sie nach irgend einem ausserhalb des
Bildes gelegenen Punkte zu richten. Was aber den Meister dazu bewogen hat, dieses im Grunde
unpassende Motiv hier einzuschieben, kann nur seine Neigung für genremässige Motive gewesen sein,
wie sie sich uns schon namentlich in den zwei Figuren rechts unten in der Ecke verrathen hat.
Hielt er das Ganze strenger als jemals durch Symbolismus zusammen, so entschädigte er sich dafür im
Detail.

Alle übrigen Köpfe sind aus dem Bilde hinausgewendet. Dreifache Bewegungen nach Art des
Dirk Jacobsz kommen nicht mehr vor; von den drei Bewegungsträgern — Rumpf, Kopf und Augen —
sind stets mindestens zwei nach der gleichen Richtung gekehrt. In der linken Bildhälfte, die auch in
der Composition ruhiger erscheint, sind die Köpfe gleichmässiger concentrisch und einförmiger in
der Blickrichtung gehalten, in der anderen Hälfte hingegen herrscht das gleiche Streben nach be-
ständiger Abwechslung wie in Teunissens Bilde von 1533. Immerhin ist die Zahl der Figuren, die
nicht mehr nach der Seite des Beschauers sondern unter ganz spitzem Winkel aus der Bildfläche her-
ausblicken, diesmal eine beschränktere. Der Charakter, der aus den Köpfen spricht, ist nicht derjenige
geistiger Tiefe: er verräth weder Willen zur That (Grösse nach italienischem Postulat) noch selbst
concentrierte Aufmerksamkeit sondern einfach Willen zur Existenz, wobei allerdings nach nordischer
 
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