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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 23.1902

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I. Theil: Abhandlungen
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Riegl, Alois: Das holländische Gruppenporträt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5950#0143
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Das holländische Gruppenporträt.

Hg. 24. Schützenstück des Dirk Jacobsz vom Jahre 1561.
St. Petersburg, Ermitage.

der Ebene gruppieren; aber es fehlt an einem deutlich ausgesprochenen Raumcentrum. Was hienach
dem Eindruck der Einheit nach Aussen hin noch mangelte, das hat Dirk Barentsz in das Gruppenporträt
eingeführt. Er war nach van Mander erst anfangs der Sechzigerjahre aus Venedig zurückgekehrt, wo
er bei Tizian gearbeitet hatte: also ein Holländer, der in Italien gewesen war aber dort die neuen
Raumprobleme nicht an den Grenzen und Bewegungsmotiven der Körper sondern an den Veränderun-
gen ihrer farbigen Erscheinung studiert hatte. Schon allein aus dem Umstände, dass Dirk Barentsz
überhaupt die Neigung empfunden hatte, nach Italien zu gehen, werden wir die Erwartung ableiten
dürfen, dass er in seiner Heimat nicht so sehr nach der Seite der psychischen Vertiefung als der
äusseren Abrundung thätig sein würde. Und das war es ja eben, wo Dirk Jacobsz eine Lücke gelassen
hatte. Dirk Barentsz hat dieselbe in seinen Bildern von 1564 und 1566 in einer Weise ausgefüllt, die nach
anderer Seite hin nicht minder folgenreich und epochemachend geworden ist als Dirk Jacobsz'Schöpfung
von 1563. Um es gleich zu sagen: Dirk Barentsz ist der eigentliche Erfinder der Schützenmahlzeit in
der Auffassung und des allseits geschlossenen Raumcentrums in der Composition des Gruppenporträts.

Von den Schützenstücken, die mit Dirk Barentsz in Verbindung gebracht werden, trägt keines
eine Signatur des Meisters. Zwei davon gehören noch unserer zweiten Periode an und weisen die
Jahreszahlen 1564 und 1566. Das ältere darunter verkündet allein schon durch das Colorit der Köpfe,
dass unter allen Gruppenporträten, die nach van Mander der aus Tizians Schule heimgekehrte Dirk
Barentsz gemalt haben könnte, dieses allein mit voller Sicherheit in Betracht kommen kann. Das Stück
von 1566 hat dagegen leider gerade im Colorit durch Abreiben so stark gelitten, dass auf das farbige
Aussehen kein sicherer Schluss zu bauen ist; aber man war seit jeher einstimmig darin, dieses Bild
mit dem von van Mander erwähnten Schützenstücke der »Poseters« (Barschesser) zu identificieren;
und da es auch nach Ausstattung und Composition, wie sich zeigen wird, nur die consequente Fort-
bildung und Vollendung des im Jahre 1564 Begonnenen darstellt, so wird gegen seine Zuweisung
an Dirk Barentsz kein Einwand zu erheben sein. Ausserdem sind van Riemsdyck und Dr. J. Six ge-
neigt, dem im Jahre 1592 verstorbenen Meister noch die Schützenstücke Nr. 756 und 759 des Rijks-
museums zuzuweisen. Das letztere trägt das Datum 1588 und auch das erstere muss dem Aussehen
nach bereits in die dritte Periode der Gruppenporträtmalerei des XVI. Jahrhunderts, die mit den
Achtzigerjahren beginnt, gezählt werden. Für unsere Untersuchung der fortschreitenden Entwicklung
kommen somit zunächst blos die beiden Stücke aus den Sechzigerjahren in Betracht.

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